Motorsport:Sehnsucht nach Senna

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Fällt zuletzt eher als Beifahrer auf: der ehemalige Formel-1-Pilot Felipe Massa in Rio de Janeiro. (Foto: Mauro Pimentel/AFP)

2018 hat es kein Brasilianer in die Formel 1 geschafft. Dass der frühere Ferrari-Pilot Felipe Massa künftig Formel E fährt, lindert die Wehmut nicht wirklich.

Von Elmar Brümmer

Geschichten aus dem Gastgeberland beim Großen Preis von Brasilien zu erzählen, fällt nicht gerade leicht. Jedenfalls, wenn es um Rennfahrer-Stories geht. Erstmals seit 1969 ist diesmal kein brasilianischer Pilot mehr in der Formel 1 am Start. Weshalb mal wieder die Angst vor den Straßenräubern im Umfeld des in die Jahre gekommenen Autodromo Carlos Pace als "typisch" für das Rennen in São Paulo herhalten muss.

Tatsächlich ist die Wehmut groß bei einer Nation, die in der Länderwertung der Weltmeister nach Großbritannien (18) und Deutschland (zwölf) mit acht Titeln immer noch auf Rang drei liegt. Ayrton Senna, Nelson Piquet und Emerson Fittipaldi, das sind Persönlichkeiten, die weit über ihr Heimatland hinaus verehrt werden, auch heute noch.

Das Nachfolge-Personal im neuen Jahrtausend spielte zwar auch gelegentlich eine Rolle bei der Titelvergabe, aber selten eine ruhmreiche. Rubens Barrichello, als Kollege von Michael Schumacher bei Ferrari tätig, durfte im Sog des Kerpeners zwei Mal WM-Platz zwei feiern, seine Berühmtheit aber rührte von den Demütigungen per Stallorder her. In einer Fernseh-Comedy wurde Rubinho als "Eselchen in Badeschlappen" vorgeführt. Immerhin, mit 323 Rennen hält der heute 46-Jährige noch den Ausdauerrekord in der Königsklasse.

Felipe Massa erging es bei Ferrari grundsätzlich besser. Der vermutlich netteste Pilot des Fahrerlagers war von Schumacher protegiert worden, und er führte in der Saison 2008 bis zur letzten Kurve des letzten Rennens in der Weltmeisterschaft. Als er die Ziellinie kreuzte, hatte Brasilien einen neuen PS-Helden, gekürt auch noch auf der Berg- und Talbahn von Interlagos, in deren Nähe Massa aufgewachsen war. Doch in ihrem nationalen Freudentaumel hatten die Gastgeber zunächst glatt übersehen, dass Lewis Hamilton auf der Anfahrt zu Start und Ziel doch noch den Hessen Timo Glock überholt hatte, der fünfte Platz reichte dem Briten zum Triumph - Massa fehlte ein Pünktchen. Von dieser Demütigung erholte er sich nie mehr, bei Ferrari wurde ihm Fernando Alonso vor die Nase gesetzt, bis Ende des vergangenen Jahres fristete er ein Gnadendasein bei Williams - auch deshalb, weil der Fernsehsender GloboTV dringend irgendein Zugpferd brauchte.

Massa, der sich nach dem nicht so freiwilligen Abschied der Förderung des Kartsports gewidmet hat, wird im Dezember mit 37 Jahren sein Comeback als Rennfahrer geben - in der Alternativ-Rennserie Formel E. Tapfer spricht er von der Zukunft. Für die brasilianischen Fans durfte er im Vorprogramm zum vorletzten WM-Lauf auf den Straßen von Rio ein paar Showrunden mit seinem alten Formel-1-Dienstwagen drehen. Er sagt, nicht nur in eigener Sache: "Es ist schade, dass derzeit kein Brasilianer mitfährt."

Ähnlich wie in Italien, das im kommenden Jahr nach sieben Jahren Abstinenz endlich wieder einen heimischen Stammfahrer melden kann, ist ein eigener Fahrer auch für die Brasilianer eine Frage der Ehre. Immerhin gibt es gleich zwei in São Paulo verkündete Personalentscheidungen, die so etwas wie Hoffnung aufkeimen lassen: Der 20 Jahre alte Formel-2- Pilot Sérgio Sette Câmara aus Belo Horizonte wird künftig Test- und Ersatzfahrer beim strauchelnden McLaren-Rennstall, der mit Senna seine großen Triumphe gefeiert hatte. Den gleichen Job, nur beim nordamerikanischen Haas-Team, bekommt Pietro Fittipaldi, 22, der Enkel des zweimaligen Formel-1-Champions.

Aber Reserve, das ist auch kein Dauerzustand. Das Bild, das Weltmeister Lewis Hamilton an einer Wand lehnend zeigt, auf der überlebensgroß ein Konterfei seines Idols Ayrton Senna prangt, trägt den simplen Hashtag #onelove. Dieser bezeichnet nicht nur die einzigartige Liebe des Briten.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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