Mönchengladbach:Ein Tor für Mama Maniera

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Ein sehr stolzer Torschütze: Ibrahima Traoré signalisiert seiner auf der Tribüne sitzenden Großfamilie, dass er das 1:0 geschossen hat. (Foto: imago)

Vor den Augen seiner aus Paris angereisten Familie lenkt Ibrahima Traoré die Gladbacher zum Sieg.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Das französisch-syrische Verhältnis mag schwierig sein - aber nicht in Mönchengladbach. Bei der Borussia spielen der Franzose Ibrahima Traoré und der gebürtige Syrer Mahmoud Dahoud zusammen Fußball. Am Samstag, als Traoré ein Dutzend Verwandte aus Paris zu Besuch hatte, damit sie den Sorgen in der französischen Hauptstadt ein bisschen entfliehen können, haben Dahoud und Traoré gemeinsam ein Tor erzielt.

Der 19 Jahre alte Dahoud legte dem 27 Jahre alten Traoré in der 34. Minute den Ball zum 1:0 gegen Hannover 96 auf. Am Ende gewann Gladbach 2:1. "Sie sollten ein bisschen Spaß haben und sich ablenken", sagte Traoré über den Besuch der Familie im Stadion. Seinen in Syrien geborenen, aber längst fürs deutsche Junioren-Nationalteam spielenden Klubkollegen nahm er in diese Familie kurzerhand mit auf. "Er ist für mich wie ein kleiner Bruder", sagte Traoré fast liebevoll über Dahoud.

Es wird in diesen Zeiten viel über das multikulturelle Vermittlungspotenzial des Fußballs gesprochen. In Mönchengladbach hat sich diese Episode am Samstag um 16.04 Uhr nahezu unmerklich ereignet. Dahoud ist mit seinen Eltern bereits als Baby aus der Stadt Amude an der syrisch-türkischen Grenze nach Deutschland gekommen und ist am Niederrhein groß geworden. Traoré ist in Villepinte im Nordosten von Paris als Sohn guineischer Eltern geboren und aufgewachsen. Mit 17 ging er 2007 nach Berlin, um für die Hertha Fußball zu spielen. 2009 wechselte er nach Augsburg, 2011 nach Stuttgart und 2014 nach Gladbach. Besuch von seinen Verwandten aus Paris hat er seither immer wieder gehabt, aber so voll wie dieser Tage war sein Haus noch nie. Alle saßen auch im Stadion und jubelten ihm nach dem Tor zu.

Am Mittwoch gegen Sevilla will Gladbach die Chance auf den Europa-League-Platz wahren

"Ibra hat gezeigt, dass man in diesen Zeiten unbefangen Fußball spielen und sich auch freuen darf", sagte Gladbachs Trainer André Schubert und freute sich seinerseits über seinen siebten Sieg im achten Bundesligaspiel. Seit zehn Tagen ist der 44-Jährige offiziell Cheftrainer in Mönchengladbach. Mit dem Sieg gegen Hannover stellte er den Klubrekord von Udo Lattek ein, der 1975 in seinen ersten acht Spielen als Coach ebenfalls unbesiegt blieb.

Schubert, der Traoré und Dahoud zu Stammspielern in der Startelf der Borussia gemacht hat, führe Gladbach binnen zwei Monaten vom letzten Tabellenplatz in Reichweite zu den Champions-League-Plätzen. Schon träumen die Fans von einer neuerlichen Qualifikation für den lukrativen Wettbewerb, zumal bereits feststeht, dass die Elf nicht in der Champions League überwintern darf, sondern allenfalls noch den tröstlichen Wechsel in die Europa League schaffen kann. Ein entscheidendes Spiel für dieses Unterfangen wird am Mittwoch angepfiffen, wenn die Borussia zum fünften und vorletzten Gruppenspiel den FC Sevilla empfängt. Nur mit einem Sieg und dem damit verbundenen Sprung auf den dritten Platz wahren die Gladbacher ihre Chance, im letzten Gruppenspiel am 8. Dezember bei Manchester City aus eigener Kraft den Einzug ins Sechzehntelfinale der Europa League schaffen zu können.

Die fulminante Formkurve der Gladbacher unter Schubert hat sich allerdings ein wenig abgeschwächt. Nach exemplarischen 4:2- (gegen Augsburg), 5:1- (in Frankfurt) und 4:1-Triumphen (in Berlin) tat sich die Mannschaft zuletzt schwerer, kam gegen Juventus Turin und den FC Ingolstadt nicht über Unentschieden hinaus und stand auch gegen Hannover in steter Gefahr zu verlieren. "Das Spiel hätte auch in die andere Richtung kippen können", gestand Schubert und stellte vor allem Probleme im Positionsspiel heraus.

"Gegen Hannover haben wir ausnahmsweise mal ein bisschen mehr zugelassen", sagte der Torwart Yann Sommer lächelnd, weil ihm die defensiven Probleme seiner Vordermänner die Gelegenheit zu allerhand Glanztaten ermöglicht hatten. Gegen die schnellen Spanier aus Sevilla könnten diese Defizite einen Erfolg erheblich gefährden. "Die kommenden Wochen werden ohnehin schwierig", sagte der Schweizer und dachte über den Kontrahenten Sevilla hinaus bereits an die Gegner Hoffenheim, Bayern München, Manchester City und Leverkusen.

Traoré wird derweil auch am Mittwoch auf Pässe von Dahoud lauern. Er ist für die schwierige Aufgabe zuversichtlich. "Wir haben viel Qualität", sagt er und darf auch gegen Sevilla auf die Unterstützung seiner Verwandten auf der Tribüne zählen. Aber nicht nur deshalb freut sich der guineische Nationalspieler über die Anwesenheit der Familie samt Mama Maniera und Bruder Hamidou. "Mir ist es lieber, wenn sie noch länger bleiben", sagt Traoré. "Ich mag ein volles Haus und muss mir dann auch keine Sorgen machen."

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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