World Series im Baseball:Arizona bittet zum Tanz

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Favoritenschreck: Die Arizona Diamondbacks um Pitcher Paul Sewald feiern ihren Sieg gegen die Philadelphia Phillies. (Foto: Bill Streicher/USA Today/Imago)

Die Diamondbacks hatten die schlechteste Bilanz aller Playoff-Teams und schlugen sich trotzdem bis ins Finale der Major League Baseball gegen die Texas Rangers durch. Zugetraut hat ihnen das keiner - außer Trainer Torey Lovullo.

Von Philip Kearney

Kurz nach Spielende suchte Corbin Carroll von den Arizona Diamondbacks nach Worten für das, was auf dem Feld geschehen war. "Ich weiß nicht einmal, ob es dafür eine Erklärung gibt", sagte er. "Es ist einfach Magie." Soeben hatte seine Mannschaft im entscheidenden siebten Spiel die favorisierten Philadelphia Phillies in deren Stadion 4:2 besiegt und geschafft, was kaum ein Baseball-Experte in den USA für möglich gehalten hätte: Die Diamondbacks aus Arizona stehen im Finale.

Der Underdog, wie die Washington Post bemerkte, hat es also geschafft. Vor der Saison hatten nicht einmal die Buchmacher viel für die Außenseiter übrig: Wer im Frühjahr einen Dollar darauf setzte, dass das Team aus Phoenix die World Series, das Endspiel, erreichte, der ist nun 125 Dollar reicher.

Zu den Favoriten gehörten andere Mannschaften, die Houston Astros, die Atlanta Braves oder die Los Angeles Dodgers. Die Diamondbacks dagegen hatten in der Vorsaison nur 74 von 162 Spielen gewonnen und zum fünften Mal in Folge die Playoffs verpasst. Ausnahmespieler sucht man in ihren Reihen vergeblich, nur Ketel Marte auf der Position des Second Baseman und Pitcher Zac Gallen haben es zu einiger Berühmtheit gebracht. Nicht einmal die Mannschaft selbst glaubte an Wunder oder Magie - Ziel war allenfalls, um die Playoffs mitzuspielen.

Arizona schlug die Dodgers mit 3:0 Siegen - Höchststrafe für das Starensemble

Für diese Vorgabe verpflichteten die Diamondbacks vor der Saison Tommy Pham, einen Leftfielder, und Pitcher Paul Sewald. Die beiden Zugänge trugen ihren Teil dazu bei, dass sich das Team mit einer Bilanz von 84 Siegen bei 78 Niederlagen gerade so für die K.o.-Spiele-Phase der Saison qualifizierte. Kein Playoff-Team hatte weniger Duelle gewonnen. Trainer Torey Lovullo war dennoch ungebrochen optimistisch: "Wenn man erst einmal beim großen Tanz dabei ist", verkündete er, "dann kann alles passieren."

Und so begann der erste Tanz: Zunächst trafen die Diamondbacks auf die Milwaukee Brewers. Die Brewers hatten in der regulären Saison acht Spiele mehr gewonnen als Lovullos Mannschaft und hatten zwei Heimspiele in der Best-of-three-Serie. Doch die Diamondbacks schafften, angeführt von Ketel Marte, die Überraschung und besiegten den Favoriten mit zwei Siegen.

Danach luden die Los Angeles Dodgers zum Tanz. Das Starensemble aus Kalifornien verfügt in Freddie Freeman und Mookie Betts über zwei der besten Spieler der Liga. Wieder galten die Diamondbacks als chancenlos. Doch Lovullos Männer setzten sich auch hier in der Best-of-five-Serie durch - und zwar mit 3:0 Siegen, einem sogenannten Sweep, der Höchststrafe für die Dodgers. Arizonas Pitcher Zac Gallen gab danach zu Protokoll: "Ich denke, es ist eine Untertreibung, wenn ich sage, dass wir abgeschrieben wurden - vor allem in diesem Duell."

Nun standen die Diamondbacks bereits im Halbfinale, der National League Championship Series, wo die Philadelphia Phillies warteten. Erneut waren die Rollen klar verteilt. Die Phillies hatten 2022 im Finale gestanden. Und in diesem Jahr hatten sie das beste Team der regulären Saison, die Atlanta Braves, aus dem Wettbewerb geworfen.

Und so verwunderte es zunächst wenig, das die Diamondbacks im ersten Spiel der Serie 0:10 in Philadelphia untergingen. Auch Spiel zwei ging verloren. Als die Diamondbacks für mindestens zwei Partien in ihr Heimstadion nach Phoenix zurückkehrten, ging es um alles oder nichts. Doch sie gewannen Spiel drei und vier. "Wir sind Jungs, die aneinander und an sich selbst glauben", sagte Corbin Carroll, 23, der sich in seiner ersten MLB-Saison zu einer Stütze des Teams entwickelt hatte. Plötzlich war alles wieder offen. Doch dann verloren die Diamondbacks Spiel fünf und damit ihr letztes Heimspiel der Serie.

Nun mussten sie zwei Spiele in Folge im Hexenkessel von Philadelphia, dem Citizens Bank Park, gewinnen. Das war nicht einmal den Atlanta Braves gelungen. Sie brauchten wirklich, wie Carroll vermutet hatte, Magie. Und den Glauben an sich selbst.

In Spiel sechs gingen sie früh mit 3:0 in Führung, gewannen 5:1 und schafften etwas, das keinem anderen Team in den Playoffs gelungen war: Sie ließen die Phillies-Fans im weiten Rund verstummen. Im siebten Spiel am Dienstag (Ortszeit) brillierten Pitcher Paul Sewald und Rightfielder Carroll. Erstmals seit 22 Jahren ist das Team aus Phoenix wieder ins Finale eingezogen. Und es fühlt sich nun bestätigt: "Als wir gegen Philadelphia, die Dodgers und Milwaukee gespielt haben, wer hat da an die Diamondbacks geglaubt? Niemand!", sagte Defensivspezialist Geraldo Perdomo stolz.

Im Finale, das in der Nacht von Freitag auf Samstag um zwei Uhr deutscher Zeit beginnt, warten nun die Texas Rangers, ein weiteres Überraschungsteam. Die Texaner setzten sich im zweiten Halbfinale gegen den Meister, die Houston Astros, mit 4:3 Siegen durch. Die Diamondbacks gelten noch immer nicht als Favorit in der World Series, dem ganz großen Tanz. Aber sie wissen jetzt, wie man den Gegner aus dem Tritt bringt.

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