MLB-Team Kansas City Royals:Alles andere als ein Zufalls-Meister

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Im Moment des Triumphes leert sich die Bank der Kansas City Royals blitzartig. (Foto: USA Today Sports)
  • Als die Kansas City Royals vergangenes Jahr bis ins Finale der MLB vorstießen, bewerteten das viele als Zufall.
  • In diesem Jahr holte sich das auf vielen Positionen unveränderte Team dann den Titel in der besten Baseball-Liga der Welt.
  • Zufall? Nein, es gibt drei Hauptgründe für den Erfolg der Mannschaft.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gibt in dem Film "Moneyball" eine wunderbare Szene, die beinahe alles enthält, was der Mensch über Sport wissen muss. Brad Pitt verkörpert Billy Beane, den Manager des klammen Baseballklubs Oakland A's. Die A's haben eine Mannschaft zusammengestellt, die nicht auf Ruhm, sondern auf Statistiken basiert, und mit diesem Kader habe sie gerade 20 Partien nacheinander gewonnen. Beane sitzt dennoch deprimiert in seinem Büro. "Wenn wir das letzte Spiel der Saison verlieren, dann interessieren die sich einen Scheißdreck für uns. Alles, was wir erreicht haben, wird ohne Bedeutung sein", sagt er: "Wenn wir aber gewinnen, mit diesem Etat, mit diesem Team - dann werden wir diesen Sport verändern."

Die Geschichte im Sport wird seit jeher rückwärts erzählt: Wer den Titel gewinnt, der hat alles richtig gemacht - auch wenn er auf dem Weg dorthin ziemlich viele Dinge falsch gemacht hat. Jeder Experte, ob selbst ernannt oder von anderen dazu erkoren, kann danach ganz genau erläutern, warum beim Sieger alles so wunderbar funktioniert hat. Der Verlierer bekommt nach einem Klaps auf die Schulter natürlich ebenfalls mitgeteilt, warum er letztlich doch verloren hat. Selbst wenn einer den Sport derart revolutioniert hat wie der echte Billy Beane im Jahr 2002 mit seinen A's, wird eine herausragende Saison als Zufall oder statistische Anomalie abgetan.

Die Kansas City Royals haben am Sonntagabend das letzte Spiel dieser Saison gewonnen, 7:2 nach Verlängerung bei den New York Mets. Sie haben die Best-of- seven-Finalserie, die so genannte World Series, mit 4:1 Siegen für sich entschieden und sind damit Meister der nordamerikanischen Profiliga MLB. Als solcher sind sie auch ein veritables Problem für alle Experten: Die hatten die Leistung der Royals nach der vergangenen Spielzeit, als sie erst im Finale gegen die San Francisco Giants verloren, als Zufall oder statistische Anomalie abgetan. "Wer nichts geleistet hat, an den glaubt zu Recht niemand", schrieb Eric Hosmer, First Baseman der Royals, kürzlich in einem Essay für das Portal The Players' Tribune: "Was aber, wenn du dich schon bewiesen hast - und noch immer glaubt keiner an dich?"

Fünfmal in Rückstand - trotzdem vier Siege

Es gibt im Baseball keine feste Gehaltsobergrenze; Mannschaften, die sich einen zu teuren Kader leisten, müssen lediglich eine Luxussteuer entrichten - was sich die reichen Klubs lässig leisten können. Die begehrtesten Schlagmänner und Werfer spielen für gut situierte Vereine wie die Los Angeles Dodgers (Gehaltsetat in dieser Saison: 314 Millionen Dollar), die New York Yankees (219 Millionen) oder die San Francisco Giants (187 Millionen). So wie im Fußball Geld durchaus Tore schießt, so schlägt es im Baseball Homeruns und wirft Strikeouts: Seit 2003 (Florida Marlins) hat kein Klub den Titel gewonnen, der in der Gehaltsrangliste der jeweiligen Saison nicht mindestens auf Platz sieben notiert wurde.

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Erstmals seit 30 Jahren sind die Kansas City Royals Meister der Major League Baseball: Auch im fünften Spiel gegen die New York Mets gelingt ihnen eine verrückte Aufholjagd.

Doch in der Finalserie dieser Saison trafen die Kansas City Royals (113 Millionen/ Rang 17) auf die New York Mets (120 Millionen/Rang 15). Zufall? Eine statistische Anomalie? Wie die Tatsache, dass die Royals während der World Series in jeder der fünf Partien zurücklagen und dennoch vier davon gewannen? Am Sonntag etwa führten die Mets vor dem letzten Spielabschnitt 2:0, Trainer Terry Collins wollte den bis dahin grandios agierenden Werfer Matt Harvey durch einen frischen Akteur ersetzen. "Matt hat mir gesagt, dass er das zu Ende bringen will. Ich habe anstatt auf meinen Instinkt auf mein Herz gehört. Das war mein Fehler." Harvey erlaubte einen Punkt, der Ausgleich danach resultierte aus einem Fehler der Mets-Verteidigung, provoziert durch einen wilden Lauf von Eric Hosmer. Und im zwölften Spielabschnitt prügelten die Royals derart präzise auf den Ball ein, dass ihnen gleich fünf Punkte gelangen. Womit diese letzte Partie des Jahres symbolisch für die Saison der Royals stand, die sich weder auf Herz noch auf Instinkt verlassen.

Sportdirektor Dayton Moore etwa gilt als Typ, der sich bei seinen Entscheidungen auf die Zahlen und Analysen seiner Mitarbeiter stützt, gerade bei jungen Spielern. In einer Liga, in der manche Akteure den Klub häufiger wechseln als den Baseballschläger, standen im 25-Mann-Kader der Royals zehn Spieler, die seit Beginn ihrer Karriere in Kansas City spielen. "Wir vertrauen auf unsere Entscheidungen und versuchen, so etwas wie eine Gemeinschaft zu entwickeln", sagt Moore: "Diese Burschen sind den oftmals steinigen Weg durch die Nachwuchsligen gemeinsam gegangen. So etwas kann einen in entscheidenden Momenten einer Saison durchaus helfen."

Den führenden Mets unterliefen schwere Fehler

Das zweite prägende Merkmal der Royals ist ihre Fehlerlosigkeit. Geld mag Homeruns schlagen oder Strikeouts werfen, doch ganz offensichtlich schützt es auch im Baseball nicht vor Fehlern in der Verteidigung. Die Royals erlaubten sich in den 16 Partien der Playoffs nur drei Fehler, und in der Offensive beruhte ihre Strategie darauf, den Ball schnell ins Spiel zu bringen, auch mal riskant zu laufen und auf Irrtümer des Gegners zu hoffen. Das funktionierte in der World Series prächtig. Drei Spiele gewannen sie auch deshalb noch, weil den führenden Mets jeweils schwere Fehler unterliefen.

Genau das führt zum dritten Grund für die Meisterschaft der Royals: Sie gestatteten dem Gegner auch ohne überragende Werfer nur wenige Punkte, konnten deshalb in der Offensive riskant agieren - irgendwann würde es schon klappen, wie in der Verlängerung am Sonntag. Dabei half ihnen freilich auch etwas Glück: Für den entscheidenden Punkt sorgte Christian Colon, ein Ergänzungsspieler, der zuvor in den Playoffs nicht eingesetzt worden war.

Man kann die Zusammenstellung des Kaders und die riskanten taktischen Vorgaben von Trainer Ned Yost wohl darauf zurückführen, dass den Royals aufgrund der geringen finanziellen Mittel gar nichts anderes übrig bleibt. "Das ist kein Zufall", sagte Hosmer, "das ist fast das gleiche Team wie in der vergangenen Saison. Damals standen wir Finale, nun sind wir Meister." Die Royals haben auf jeden Fall das letzte Saisonspiel für sich entschieden, vor allem haben sie anderen, finanziell benachteiligten Teams gezeigt, wie das klappen kann mit dem Titel. Billy Beane, der noch immer die A's betreut, wird das aufmerksam verfolgt haben. Er hat zwar die Sportart vor rund zehn Jahren mit seiner Kaderplanung revolutioniert - das letzte Spiel einer Saison hat er bis heute nicht gewonnen.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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