Mitarbeiter des Tages:Die Kapitänsbinde

(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Als Alexander Golowin das Stück Stoff bei seiner Einwechslung von Roman Schirokow empfing, lehnte er es wie fast alle seine Kollegen ab. Besser ist mannschaftliches Versagen selten abgebildet worden.

Von Sebastian Fischer

So eine Kapitänsbinde ist nicht das wichtigste Utensil auf dem Platz, sie berechtigt vordergründig nur zum eindringlichen Gespräch mit dem Schiedsrichter. Weitaus größer als ihre praktische ist ihre symbolische Wirkung: Wer sie trägt, der identifiziert sich mit den Zielen des Teams, geht voran, setzt des Trainers Vorgaben beispielhaft um. So jemanden braucht jede Mannschaft. Als hierzulande vor zwei Jahren beim DFB Philipp Lahms Nachfolger gesucht wurde, war es ein Zeichen für Teamgeist, dass fast jeder wollte. Selbst Manuel Neuer sagte: "Ich würde es machen!"

Im russischen Fußball ist die Kapitänsbinde nun das Symbol für eine nicht dieser Bezeichnung würdige Mannschaft; am Montag wollte sie niemand. Als Alexander Golowin das Stück Stoff bei seiner Einwechslung von Roman Schirokow empfing, sah er noch hilfloser aus als Trainer Leonid Sluzki. Er blickte hektisch nach rechts, fragend nach links, verzweifelt nach hinten, lief zu diesem und jenem Mitspieler - alle lehnten ab, als wäre die Binde ein Putzlappen, mit dem nach einer besonders heftigen WG-Party feucht durchgewischt werden muss. Schließlich streifte Sergej Ignaschewitsch sie dem widerwilligen Torhüter Igor Akinfejew über. Besser ist mannschaftliches Versagen selten abgebildet worden. Einmal feucht durchzuwischen wird nicht reichen, um im russischen Fußball aufzuräumen.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: