Mexiko - USA:Noch mehr Geschichte mit Mr. Bush

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Das US-Team zieht ins Viertelfinale gegen Deutschland ein - und feiert auch in der Heimat erste Erfolge.

Ralf Wiegand

(SZ vom 18.6.02) - Dass es wie eine Drohung geklungen hat, was Brad Friedel so zwischen all die Banalitäten streute, die nach einem Fußballspiel auf rituelle Weise gesprochen werden müssen, das hat er vermutlich so gewollt. Brad Friedel ist schließlich Teil einer WM-Sensation, der Torwart einer der formell neuerdings acht besten Mannschaften der Welt, Brad Friedel darf also ruhig den anderen ein bisschen Angst machen.

Frankie Hejduk feiert den 2:0-Sieg der USA gegen Mexiko (Foto: N/A)

Der Torwart der amerikanischen Mannschaft, die gerade das Viertelfinale der Weltmeisterschaft erreicht hatte, sagte gestern nach dem 2:0 gegen Mexiko: "Wir können hier noch mehr Geschichte machen." Dazu hatte der amerikanische Fußball eigentlich schon Gelegenheiten genug, und er hat sie alle vergeben. Oder anders: Die Geschichte hat niemanden interessiert daheim im Land, in dem sie andere Sachen lieben als diesen europäischen Fußball, für den sie sogar ein neues Wort erfinden mussten, weil Football schon in Gebrauch war.

Der Riese ist wach

Soccer macht in den USA eine eigenartige Karriere als Massensport für Jugendliche und Randsport bei den Profis. Die WM, fürchtet Brad Friedel, wird so viel daran nicht ändern. "Vielleicht ein bisschen", sagt Friedel und schaut dazu, als schenke ihm gerade jemand einen zu starken Schnaps ein.

Aber natürlich hoffen sie auf mehr. "Das, was wir hier erleben, ist das Ergebnis von 25 Jahren Arbeit vieler Tausend Menschen", sagte Dr. Robert Contiguglia mit all dem Pathos, den er sich als Präsident des US-Verbandes erlauben darf. Contiguglia ist nicht mehr so ein Typ wie sein Vorgänger Alan Rothenberg, der auftrat und handelte, als sei er in einer Minute Politiker und in der nächsten Führer eines Weltkonzerns und außerdem sein eigener Pressesprecher.

Rothenberg war jener Mann, der die Weltmeisterschaft in die USA holte, 1994, und der als Erwecker des schlafenden Riesen in die Geschichte eingehen wollte. Mister Soccer sozusagen. Aber Rothenberg steht jetzt, als Fifa-Mitglied akkreditiert, nach jedem neuen, verblüffenden Erfolg der Amerikaner in der Mixed Zone des Stadions und bewundert die Spieler wie ein Fan. Er mag vor acht Jahren einen World Cup organisiert haben, mit dem sich die USA als Veranstalter eines Großereignisses beweisen konnte - Aufmerksamkeit für den US-Fußball aber konnte er niemals in dem Maße erregen, wie es jetzt die Kicker in Korea tun. Auf dem Platz, wo die Wahrheit liegt.

Untypische Bescheidenheit

Dr. Contiguglia, der Verbandspräsident, sieht nicht aus wie ein Top-Manager, sondern wie ein Sportfunktionär überall sonst in der Welt des Fußballs. Dafür referiert er Gründe für den Aufstieg der Nationalmannschaft zu einer ernst zu nehmenden Größe, die nicht im typisch amerikanischen größer, schneller, teurer liegen, sondern im Kleinen. Er sagt: "Unsere U-17-Nationalmannschaft ist Vierter in der Welt. Und wir sind Vierter bei Olympia gewesen." Und er hat sofort bemerkt, wo die Torschützen Donavan und McBride spielen: "Beide kommen aus der MLS."

Die MLS, die Major League Soccer, ist noch so ein Vermächtnis aus der Ära Rothenberg, als die USA "schlafender Riese" genannt wurden, aber niemand einen Wecker fand, der groß genug gewesen wäre, ihn auch auf die Beine zu bringen. Die Profi-Fußball-Liga ist ein finanzieller Flop, die Zahl der Klubs wurde bereits reduziert, die Zuschauerzahlen sinken. "Aber die jungen Spieler, die aus der U17, haben jetzt einen Platz, wo sie spielen können", sagt Contiguglia, "das ist ein Unterschied zu früher." Da wurden die im Ausland beschäftigten Profis mit College-Spielern zu einem Team zusammengewürfelt; jetzt ist die Kluft in der Mannschaft kleiner, "und auch die Lücke zu den großen Teams in der Welt ist kleiner geworden", sagt Bruce Arena, der Coach.

Aufmerksamkeit für "Soccer"

Arena merkt man an, dass er auch einen persönlichen Triumph feiert. Denn ein Sieg für den US-Fußball ist es bei dieser WM ja auch, weil sie von einem amerikanischen Trainer angeleitet wird, keinem Lehrmeister aus einem Fußballland wie früher Bora Milutinovic. Arena und die Spieler wurden mit keinerlei Erwartungen befrachtet ins Turnier geschickt, ihnen wurde nichts zugetraut, und das, was man ihnen nicht zutraute, interessierte nicht mal jemanden.

"Nicht die so genannten Experten sind die Experten", sagte Arena nach dem Sieg gegen Mexiko in der ihm eigenen pointierten Art, "die Spieler sind die Experten. Niemand hat an unser Team geglaubt, außer unser Team." Jetzt, sagt Arena, "bringen wir die Aufmerksamkeit zu diesem Sport zurück, und das ist das Wichtigste".

Mr. Bush wünscht Glück

Ein bisschen Hilfe bei der Aufmerksamkeitsfindung kann allerdings nicht schaden. Ein Anruf des Präsidenten tut da immer seine Wirkung, denn wo der Präsident anruft, da muss was los sein. Also arrangierte die eifrige Teammanagerin ein kurzes Gespräch mit Bruce Arena vor dem Spiel, "Mr. Bush hat uns viel Glück gewünscht", sagte der Coach, und die amerikanische Presse hat einen schönen Aufhänger. Beim ersten Spiel gegen Portugal hatte Bush sich noch heraus geredet, er hätte das Spiel nicht sehen können, "weil ich einen wichtigen Termin hatte". Das Spiel war nachts um halb drei Washingtoner Zeit.

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