Matthias Sammer:Verheiratet, drei Kinder

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Der neue DFB-Sportdirektor ignoriert den Widerstand des Bundestrainers und sagt Loyalität zu.

Philipp Selldorf

Teilnehmer der Unterredung im Hauptquartier des DFB berichteten von zähen und langen Diskussionen, aber dafür war Jürgen Klinsmann ausnahmsweise nicht verantwortlich.

Will sich mit Klinsmann arrangieren: Matthias Sammer (Foto: Foto: dpa)

Schon vor dem Lunch hatte er gestern das Haus verlassen, die weiteren Verhandlungen mit den Trainern der deutschen Gegner über die Spieltermine während der EM-Qualifikation überließ er seinem Assistenten Joachim Löw.

Das hatte zwei Vorteile für Klinsmann: Erstens verpasste er nicht viel, wie der Kommentar des irischen Trainers Stephen Staunton verrät: "Egal, was passiert: Wir müssen alle gegeneinander spielen - zuhause und auswärts."

Zweitens blieb Klinsmann die heikle Begegnung mit Matthias Sammer erspart, der nachmittags offiziell als künftiger neuer Sportdirektor des DFB vorgestellt wurde.

Sein Missvergnügen über das Engagement von Sammer anstelle des von ihm und Teammanager Oliver Bierhoff vorgeschlagenen Hockeytrainers Bernhard Peters hatte Klinsmann bereits Mittwochabend unzweideutig zum Ausdruck gebracht.

Basta!

"Wir akzeptieren die Entscheidung, aber wir teilen sie nicht", erklärte er, was sich anhörte wie die Androhung von passivem Widerstand, zumal er im Affekt dem DFB die Gefolgschaft kündigte: "Mit dieser Entscheidung hat sich für uns auch alles erledigt, was Personalfragen angeht." Basta!

Verärgert hatte ihn nicht nur die Entscheidung des DFB-Präsidiums, sondern auch die durch das Beschlussverfahren vermittelte Botschaft.

Die bedeutete eine klare Zurechtweisung für Klinsmann, sich auf seine Zuständigkeiten zu besinnen und die Personalpolitik dem Verband zu überlassen.

Um die halbe Welt waren Bierhoff und Klinsmann geflogen - der eine aus dem Urlaub auf den Malediven der andere von daheim in Kalifornien, - um dem Gremium ihr Modell mit Peters zu präsentieren. Dass sich das Präsidium längst für Sammer entschieden hatte, wussten sie allerdings schon vor der langen Anreise.

Verständlich, dass sie den Eindruck hatten, man habe sie zum Zweck der Disziplinierung vorgeführt. Bierhoff allerdings wurde im Zuge der Neuordnung sogar befördert, er hat es bloß noch nicht gemerkt.

Er steht jetzt einem "Leitungsgremium" vor, das die Verbindung zwischen der Nationalmannschaft und dem Ressort des neuen Sportdirektors Sammer herstellen soll. Eine nicht unkomplizierte Organisation, wenn man Sammers Worten folgt: "Es soll insgesamt ein Zusammenspiel in der Zusammenarbeit geben", ahnt er.

Dabei will Sammer bei nächster Gelegenheit Kontakt zu Klinsmann suchen, erste telefonische Versuche sind allerdings gescheitert. "Ich finde das aber gar nicht problematisch. Die haben halt versucht ihre Vorstellung durchzusetzen", erklärte Sammer.

Bierhoffs dunkle Andeutungen, es seien "unschöne Dinge passiert", und Klinsmanns Rüge, "das eine oder andere" an Sammers Vorgehen im Bewerbungsverfahren habe ihm "nicht gefallen", führte er auf die Aufgeregtheiten der vergangenen Tage zurück.

"Das darf man nicht auf die Goldwaage legen". Nun will er sich aber um Versöhnung bemühen, und dass er zuversichtlich ist, Frieden mit Klinsmann und Bierhoff zu schließen, illustrierte er mit einer Erfolgsgeschichte aus seinem Privatleben: "Meine eigene Frau hat mich am Anfang auch nicht gemocht. Und jetzt sind wir verheiratet und haben drei Kinder."

Mit Peters hat Sammer im Zuge der Reparaturarbeiten schon gesprochen, "und ich bin mit ihm verblieben, dass ich auf ihn zukommen werde, weil ich offen bin für Dinge, die aus anderen Sportarten kommen."

Seine fußballspielenden Kinder aus der zunächst missglückten Beziehung zu seiner Frau haben im Übrigen dazu beigetragen, dass sich Sammer von seinem alten Beruf als Bundesligatrainer abgewendet hat und nun in der Nachwuchsschulung Erfüllung finden möchte.

"Ein Feuer ausgebrochen"

"Ich habe mich immer danach gesehnt, etwas bauen zu können und Fußball als Prozess zu erleben." Im Oktober, bei der ersten Anfrage von Bierhoff und Klinsmann, habe er zwar noch "lapidar abgesagt", doch habe er sich halt erst anschließend richtig mit der Aufgabe beschäftigt: "Die Sache ist gereift und gereift und hat mich immer mehr gereizt, da ist ein Feuer entstanden, das jetzt ausgebrochen ist."

Als Sportdirektor will Sammer unter anderem ein wissenschaftlich fundiertes Leistungszentrum für die Nationalspieler der Jugendmannschaften schaffen und den deutschen Kampf- und Kraftfußball-Tugenden wieder Geltung verschaffen, die durch eine verwirrende System- und Modernisierungsdebatte verloren gegangen seien.

Seine Idee vom idealen Fußball sei im Übrigen "sehr identisch mit Klinsmanns Vorstellungen". Am Ende seiner Tätigkeit hofft er wie ein Landwirt "Früchte zu ernten: Nationalspieler, junge Nationalspieler."

Mit großem Eifer trug er diese Worte gestern auf der Bühne des DFB vor, es war gar nicht der argwöhnisch und unwirsch formulierende Matthias Sammer, den man aus der Bundesliga kennt.

Mit dieser emphatischen Vortragsweise hatte er auch schon die Verantwortlichen beim DFB und seinen alten Teamkameraden Oliver Bierhoff verblüfft, der ihn eigentlich als "eher introvertierten Typen" kannte.

Als Bundestrainer oder gar als Nachfolger von Klinsmann will Sammer diese neuen Eigenschaften aber nicht einbringen: "Ich rechne damit - das ist meine totale Überzeugung -, dass wir eine tolle WM spielen werden."

© SZ vom 10.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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