Marko Pantelic:Der Unstete wird sesshaft

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Tore sind das wichtigste Signal dafür, dass ein Torjäger sich wohl fühlt. Marko Pantelic, der als Söldner des modernen Fußballs galt, traf schon neun Mal für Hertha.

Javier Cáceres

Eigentlich war der Vortrag des Marko Pantelic in der Dramaturgie der Mitgliederversammlung von Hertha BSC Berlin gar nicht vorgesehen - ,,Marko ist das nächste Mal dran'', hatte Dieter Hoeneß gesagt. Der Klubmanager hatte seinen Stürmer schützen wollen, so gut ist sein Deutsch ja noch nicht, dass man ihm eine freie, spontane Rede vor 800 Hertha-Hörern zumuten wollte. Doch die fordernden Pantelic-Rufe verstummten am Montag erst, als Hoeneß dem Stürmer aus Belgrad doch das Mikrofon reichte.

Ich kann doch nix dafür: Marko Pantelic wird sesshaft. (Foto: Foto: dpa)

Es wäre übertrieben zu behaupten, dass exakt zu verstehen war, was der Redner sagte, es waren lotteriehaft aneinander gereihte Worte, es tauchten Begriffe wie ,,gut'' und ,,positiv'' auf, oder der Traum von der Champions League. Was man jedoch klar verstand, war, dass Marko Pantelic, 27, an anderen Orten mehr gefremdelt hatte als jetzt und hier, als in Berlin. ,,Für mich'', sagte er später, ,,war dieser Abend wirklich etwas Besonderes.''

Sie hat etwas Überraschendes, diese Symbiose zwischen den muffelnden Berlinern und dem Stürmer vom Balkan, der sich mit neun Toren an die Spitze der Torjägerliste der Bundesliga geschossen hat. Als er im August 2005 von Roter Stern Belgrad nach Berlin gestoßen war, wurde er von einer Skepsis empfangen, die größer war als bei früheren Verpflichtungen der Hertha. Kaum jemand wollte mehr glauben, dass es dem Verein doch noch einmal gelingen würde, einen Torjäger zu finden, der den Namen verdient. Zu lang war die Liste der Irrtümer. Und war Pantelic, der anfangs nur zur Probe aufspielen durfte, nicht zweite Wahl?

Eigentlich war Hertha an dem Zweimeter-Mann interessiert, der bei Roter Stern neben Pantelic stürmte: Nikola Zigic. Doch der war den Berlinern zu teuer, Zigic landete bei Racing Santander in Spaniens Primera División. Zum Teil aber war die Skepsis auch selbstverschuldet, denn Pantelic eilte der Ruf eines ewig Unsteten voraus: Hertha war nach Iraklis Saloniki, Paris St.Germain, Sturm Graz, FC Yverdon, FK Obilic, FKSartid und Roter Stern schon sein achter Profiklub. Er galt nicht einfach nur als Söldner, er galt als der Söldner des modernen Fußballs schlechthin. Anfangs trug er nicht viel dazu bei, das Image zu korrigieren; in der Zeit, da Hertha unschlüssig war, ob der Leiharbeiter festangestellt werden sollte, bekundete er freimütig, aber wahrheitsgemäß: ,,Es gibt so viele gute Klubs in der Welt.''

Das Gewese um seine Wanderschaft hat ihn ermattet und verletzt, das lässt er jeden spüren, der ihn darauf anspricht. Durch wegewerfende Handbewegungen. Durch ein zusammengekniffenes Gesicht. Durch die Mühe, die es ihn kostet, sitzen zu bleiben, und den Impuls zu unterdrücken sich sofort wieder aus dem Stuhl im Hertha-Presseraum zu erheben. Dann aber sucht er doch lieber nach überzeichneten Bildern. ,,Look'', sagt Pantelic: ,,Wenn Real Madrid ruft, sagt niemand nein.'' Oder er sagt: ,,Maradona hat doch Boca Juniors auch verlassen.''

Auch Pantelic hat sein Boca, und dass es Roter Stern heißt und nicht Hertha, daran lässt er keinen Zweifel. Fragt man ihn nach dem emotionalsten Tor seiner Karriere, so erinnert er sich an das serbische Pokalfinale von 2003 und dessen 111. Minute. Er war damals bei Sartid, und er schoss mit dem Außenrist aus unmöglicher Position in den Winkel das Golden Goal. ,,Es war das einzige Mal, dass ich mich über ein Tor gefreut und gleichzeitig geweint habe. Weil es ein Tor gegen meine erste, meine einzige Liebe war. Gegen Roter Stern.'' In Berlin ist er, immerhin, vergleichsweise sesshaft geworden. ,,Ich habe mich hier gefunden.'' Seine Tore sind ein Indiz dafür. Bei einem Torjäger ist es fast das wichtigste.

Fragt man ihn, woran es liege, dass es so gut laufe, erinnert er daran, dass er schon vergangene Saison elf Tore in 27Spielen erzielte. Obwohl er zweieinhalb Monate lang verletzt spielte. Obwohl er sich fitspritzen ließ. Obwohl er auf der Bank saß und viele an ihm zweifelten. Diesmal hat er sich gut auf die Saison vorbereiten können, auch weil ihn Serbiens Nationalcoach nicht für die WM nominierte. Vor allem aber hat sich das Spiel der Hertha geändert, seit Marcelinho nicht mehr bei Hertha ist.

Für den Brasilianer kam ein Argentinier, Christian Giménez, ein zweiter Stürmer, mit dem sich Pantelic ergänzt. ,,Wir bewegen uns viel, er mehr mit Ball, ich mehr ohne'', sagt Giménez und rühmt die Finten des Torpanthers, wie die Berliner Presse Pantelic nennt: ,,Er gibt dem Gegner nicht den kleinsten Anhaltspunkt: Er kommt von rechts, von links, von überall.'' Gilberto, der brasilianische Nationalspieler, beschreibt den Unterschied zur vergangenen Spielzeit so: ,,Die Mannschaft wusste, dass Marcelinho jederzeit das Spiel entscheiden konnte und hat deshalb bei Ballbesitz nicht den am besten postierten Spieler gesucht, sondern immer auch nach Marcelinho geschaut. Instinktiv. Jetzt beschränken sich alle darauf, die beste Lösung für die jeweilige Spielsituation zu suchen. Das führt dazu, dass die Spielzüge sauberer sind. Und dass auch Marko mehr Tore macht.'' Die ganz einfachen, aber auch großartige Werke waren darunter, gegen Bochum gelang Pantelic ein 25-m-Heber aus dem Lauf, gegen Nürnberg ein Fernschuss mit dem Außenrist.

Gerade die wechselnden Auslandserfahrungen, die ihm viele als Wankelmut ankreiden, hätten für ihn eine positive Rolle gespielt: ,,Ich habe außerhalb des Platzes viele Dinge gelernt, die mir jetzt auf dem Rasen helfen'', sagt Pantelic. ,,In Frankreich habe ich gelernt: geduldig zu sein. In Spanien: niemandem zu glauben. In Griechenland: dass es immer ein Morgen gibt, von dem niemand weiß, wie es ist. In der Schweiz: kalt zu sein. Und in Deutschland habe ich gelernt, positiv zu sein, selbst in der Niederlage. Sehr schwer für mich. Vor allem aber habe ich gelernt, die Dinge auf den Rasen zu bringen, die ich mir anderswo angeeignet habe.'' Man nennt so etwas wohl einen Prozess der Reife.

© SZ vom 30.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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