Männer-Doppel:Brüder von verschiedenen Müttern

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Sehen sich auf der Videotafel: Jacobo, Sohn von Juan Sebastian Cabal (links), der mit Robert Farah die Doppelkonkurrenz gewann. (Foto: Danielle Parhizkaran/USA TODAY Sports)

Einmal so berühmt sein wie Shakira: Die Kolumbianer Juan Sebastian Cabal und Robert Farah gewinnen nach Wimbledon auch das US-Open-Doppel.

Von Jürgen Schmieder

Und dann sah Jacobo Cabal hinauf zu Horacio Zeballos. Der hatte gerade gemeinsam mit seinem Partner Marcel Granollers das Doppel-Finale verloren, gegen Jacobos Vater Juan Sebastián Cabal und dessen besten Freund Robert Farah - und der Bub hätte nun gerne einen "Fist Bump" erhalten, also den Faust-Handgruß, den sich Leute gewöhnlich nach Erfolgen geben. Zeballos hätte sich ärgern oder den zwei Jahre alten Buben einfach ignorieren können. Er ist jedoch Argentinier und damit vertraut mit dieser Sentimentalität, die nur bei Südamerikanern nicht kitschig wirkt, also hielt er dem kleinen Jacobo die Faust zum Abklatschen hin.

Die Kolumbianer Cabal und Farah haben nach Wimbledon auch die US Open gewonnen, es ist die Wohlfühl-Geschichte des Turniers. "Wir kennen uns, seit wir beide fünf Jahre alt sind, wir leben seit unserem zehnten Lebensjahr zusammen, seit wir in eine Akademie aufgenommen worden sind", sagt Farah: "Sebas ist, wie man in den USA so schön sagt, mein Bruder von einer anderen Mutter. Ich würde alles für ihn tun, und ich glaube, dass er auch alles für mich tun würde."

Cabal, 33, und Farah, 32, sind Tennisspieler aus einem Land, das bislang nur einen Grand-Slam-Sieger hervorgebracht hat: Iván Molina bei den French Open 1974 im Mixed mit Martina Navratilova. Beide merkten schnell, dass es für eine Karriere als Einzelspieler nicht reichen würde, Farahs höchste Position in der Weltrangliste war Platz 163, die von Cabal gar nur 184. Vor acht Jahren beschlossen sie, es mit dem Bruder von der anderen Mutter im Doppel zu versuchen. Es funktionierte, sie haben mittlerweile jeweils mehr als drei Millionen Dollar Preisgeld gewonnen. "Es hat sofort geklappt", sagt Farah: "Sebas ist der Magier, der mit dem Zauberhändchen. Ich bin der mit Kraft."

Wer die beiden beobachtet, der sieht sofort, warum Doppel eine derart faszinierende Variante ist, weshalb es umso peinlicher ist, dass die zwei Halbfinalspiele der Männer bei diesen US Open (Cabal/Farah gewannen beide Sätze im Tie Break, so wie die Finalgegner ihre Partie gegen das deutsche Duo, die French-Open-Sieger Andreas Mies und Kevin Krawietz) quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen wurden - während zu den bisweilen arg einseitigen und oft langweiligen Erstrunden-Einzeln am Abend im Arthur Ashe Stadium mehr als 20 000 Leute kommen: Die Ballwechsel im Doppel sind spannend, taktische Leckerbissen, garniert mit gefühlvollen Volleys, und Cabal und Farah sind tatsächlich Virtuosen.

"Nach unserem Sieg in Wimbledon war in Kolumbien die Hölle los", berichtet Farah: "Bei der Ankunft von Sebas in Cali waren 20 000 Leute am Flughafen, sie haben ihn mit einem Feuerwehrauto durch die Stadt gefahren. Überall waren Flaggen, überall waren Leute. Ich bin in Bogota gelandet und habe mich ein paar Tage lang gefühlt wie Shakira." Er habe es genossen, wie die kolumbianische Sängerin gefeiert zu werden, er freue sich deshalb schon jetzt auf die Rückkehr nach Kolumbien: "Ich will noch gar nicht daran denken, wie verrückt das werden wird." Dann sagt er noch ein paar Sätze, die eben nur bei Südamerikanern nicht kitschig klingen: "Das werden Leute stehen, eingehüllt in unsere Flagge, und sie werden 'Kolumbien, Kolumbien' rufen. Es gibt nichts Schöneres. Ich liebe meinen Bruder, und ich liebe Kolumbien."

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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