Lukas Podolski:69.000 Daumen

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Die Formkurve des Nationalspielers zeigt eher nach oben. Ob er aber im Spitzenspiel gegen Bremen auflaufen darf, weiß nur der Trainer.

Thomas Becker

Natürlich konnte man nicht sehen, dass ihm alle die Daumen drückten. Aber kaum einen der 69.000 Zuschauer hielt es auf dem Sitz, als der junge Mann mit dem Ball am Fuß auf das Tor des Gegners zurannte. Sogar die Promi-durchsetzte Haupttribüne sprang fast kollektiv auf: Jetzt musste es doch endlich klappen! Es war ein weiter Weg bis zum Ziel: viel Zeit zum Überlegen, viel zu viel Zeit. "Was wohl passiert, wenn ich den jetzt auch noch versemmele?"

Ich darf, ich will, ich kann. Denkt Felix Magath auch so? (Foto: Foto: dpa)

Keine Ahnung, ob Lukas Podolski dieses oder Ähnliches durch den Kopf ging, bevor er am vergangenen Samstag mit dem 4:2 gegen Hertha BSC erstmals für seinen neuen Klub in der Bundesliga traf. Er ist nicht der Typ, der über so etwas redet. Er sagt zu den erwartungsfrohen Journalisten nur knapp: "War 'n schöner Pass von Willy und dann hab' ich ihn reingemacht. Das reicht."

Es gibt wenige Spieler beim FC Bayern, bei denen die Sympathie des Publikums so offensichtlich spürbar ist - eigentlich ist es nur einer: Mehmet Scholl. Der bekommt zuweilen schon Sprechchöre, wenn er sich nur warmläuft. Scholl ist seit 14 Jahren bei Bayern, Podolski erst seit knapp drei Monaten. Klar, der Schweinsteiger-Spezl ist ein Everybodys Darling, ein Ankommer - allerdings ein naturbelassener, einer, der keine Rolle spielen muss. Der ist einfach so. Direkt, unverstellt.

Bei der Reporterschar, die sich nach den Partien in der so genannten Mixed Zone um die Stimmen zum Spiel schlägt, ist er sowieso der Held: Endlich mal einer, der schön laut spricht und nicht bloß Halbverständliches ins eigene Kinn murmelt. Und natürlich einer, der als rheinische Frohnatur immer für ein Späßken zu haben ist. Über Lissabons Torhüter Ricardo, der bei der WM zwei Treffer von Schweinsteiger kassierte und nun erneut von ihm bezwungen wurde, sagte er: "Der hat die letzten drei Tage schon schlecht geschlafen, weil er wusste, dass der Schweini kommt."

Die Spaß-Kombo Poldi/Schweini - tatsächlich Brüder im Geiste. Beide mussten auch die Erfahrung machen, dass tolle Leistungen in der Nationalmannschaft noch lange keinen Stammplatz in der Bayern-Elf bedeuten. Nach den fast rauschhaften Confed-Cup-Spielen im Sommer des vergangenen Jahres war für Schweinsteiger erst mal kein Platz in Magaths Stammformation. Ähnlich erging es nun dem WM-Helden Podolski, der unter seinem neuen Coach erst ein Bundesligaspiel durchgespielt hat.

Magath lässt sich auch von den imposanten Werten des 21-Jährigen nicht beeindrucken: 22 Treffer in 37 Länderspielen, 23 Treffer in 57 Bundesligaspielen, 24 Treffer in 30 Zweitligaspielen, schon acht "Tore des Monats", mit sieben Treffern der erfolgreichste Torjäger bei der EM-Qualifikation, und im Kampf um die Welt-Torjäger-Krone, bei der nur Länderspieltreffer und Tore in kontinentalen Klub-Wettbewerben zählen, liegt Podolski mit 13 Treffern nur einen Zähler hinter Klose und Peter Croch vom FC Liverpool. Erst einmal gelang es einem Deutschen, diesen Titel zu holen: einem gewissen Jürgen Klinsmann, 1995.

Auch der hatte ja in seiner Zeit als Bayern-Stürmer nicht nur Spaß, was am Mauer-Fußball des Herrn Trapattoni lag. So schlimm ist es mit Magath nicht, doch das allgemeine Unverständnis über das ständige Reservebankdasein des offiziell besten Nachwuchsstürmers der WM, war schon beachtlich. Erst nach dem Hertha-Spiel, das das Trio Podolski, Pizarro, Makaay aufs Eindrucksvollste zur Eigenwerbung nutzte, fand Magath ausnahmslos lobende Worte für den Kölner: "Er hat gezeigt, dass er hier angekommen ist. Das war eine Klassepartie von ihm."

Dennoch darf er sich in Magaths fröhlichem Stürmer-Roulette keinesfalls als gesetzt fühlen: Gegen Lissabon war nach 65 schwachen Minuten Schluss für ihn. Und wen Magath beim Spitzenspiel in Bremen im Sturm zusammenrotiert, das weiß nur der Trainer. Viele werden Podolski die Daumen drücken.

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