Lob für den Verlierer :FC Bayern Ingolstadt

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Nach dem 2:0, mit dem sich die Münchner die Herbstmeisterschaft sichern, schwärmt Trainer Guardiola von Ingolstadt. Auch Philipp Lahm sagt: "Sie haben eigentlich so gespielt wie wir."

Von Maik Rosner, München

Müde schritten die Spieler des FC Bayern zur Südtribüne, um sich bei den Fans zu bedanken. Von Freude über den nächsten kleinen Rekord, die zum fünften Mal hintereinander errungene Herbstmeisterschaft, ließ sich jedoch wenig erkennen. Auch später prägte vielmehr die Anerkennung für den FC Ingolstadt die Ausführungen. "Großes Kompliment. Sie haben eigentlich so gespielt wie wir", stellte Philipp Lahm einigermaßen verwundert fest. Einen Teil der Erklärung lieferte er jedoch umgehend mit. "Wir haben zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mit Energie Fußball gespielt", sagte der Kapitän. Gegen den anderen Aufsteiger aus Darmstadt im Pokalachtelfinale am Dienstag müsse sich das wieder ändern, mahnte auch Sportvorstand Matthias Sammer.

Mit Mühsal 2:0 (0:0) gewonnen hatte dennoch der FC Bayern gegen den Aufsteiger, durch die Tore von Robert Lewandowski (65.) und Lahm (75.). Allerdings nach einer erstaunlich fehlerhaften Vorstellung, bei der der FCI die Nachlässigkeiten der Münchner planmäßig provozierte. Bereits nach einer Minute hatten sich die Bayern im sehr kecken Pressing des Aufsteigers zwei erhebliche Böcke geleistet.

"Wir haben gedacht, wir sind im falschen Film"

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(Foto: Christof Stache/AFP)

Nach dem Kloppschen Diktum, den "Gegner auf sein Niveau herunter zu ziehen", etabliert Ingolstadt gegen München ein aggressives Pressingspiel.

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(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der FC bayern kommt praktisch nicht zum Abschluss, die Schanzer dagegen schon. Holger Badstuber holt sich im Kampf um den Ball eine blutige Stirn.

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(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Die Schwerfälligkeit abgeschüttelt: Mehr als eine Stunde tun sich die Münchner schwer. Dann trifft Lewandowski (M.) zum 1:0.

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(Foto: Matthias Schrader/AP)

Hände vors Gesicht: Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl kann bis dahin zufrieden sein mit seiner Mannschaft - die Bayern-Führung ist glücklich.

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(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Nach dem 1:0 hält der FC Ingolstadt weiter dagegen, das Spiel ist aber praktisch entschieden: Philipp Lahm (2.v.l.) macht mit seinem 2:0 den Deckel drauf.

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(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Herbstmeister: Mit 43 Punkten sind die Münchner in der Hinrunde nicht mehr von der Tabellenspitze zu verdrängen.

Die Turbulenzen des Favoriten setzten sich auch danach fort. Immer wieder liefen die Gäste mutig an und störten schon bei der Ballannahme, nahezu ebenso regelmäßig zwangen sie Pep Guardiolas sonst so gewandte Ballbesitzspieler zu ungewohnt rustikalen Verlegenheitsbällen nach vorne, oft sogar ohne Adressaten. "Mitte der ersten Halbzeit haben wir gedacht, wir sind im falschen Film, weil die Bayern fast nicht mehr rausgekommen sind", berichtete Ingolstadts Stefan Lex stolz.

Die Ankündigung seines Trainers Ralph Hasenhüttl, dieses erste oberbayerische Derby in der Bundesliga mutig angehen zu lassen, hatte sich also voll bestätigt. Es war sogar so, dass es die Ingolstädter schafften, die Münchner 25 Minuten lang von ihrem Tor fernzuhalten. Erst dann kam Lewandowski zur ersten Chance, als er Torwart Ramazan Özcan überlupfte, Innenverteidiger Romain Brégerie den Ball aber noch wegschlagen konnte. Trotz dieser Gelegenheit ließ sich zur Pause bilanzieren: So mutig, keck und auch geschickt wie die Ingolstädter war in der laufenden Saison noch kein Gast in der Münchner Arena aufgetreten. Zumal der FCI kurz vor der Pause für Vollbeschäftigung von Torwart Manuel Neuer sorgte und gleich vier (!) gute Torchancen besaß, durch Pascal Groß, Roger, Lex und Lukas Hinterseer, alle zwischen der 41. und 43. Minute. Auch das erstaunliche Chancenverhältnis von 4:1 sprach bis dahin für den Aufsteiger. Wenn man so will, spielte der FCI mit dem FCB Hase und beinahe Hüttl.

"Wenn alle so spielen wie Ingolstadt, wäre Fußball die beste Sportart der Welt"

Das Erstaunliche war, dass dies auch für Teile des zweiten Durchgangs galt. Zwar kam der FC Bayern durch Lahm und Lewandowski rasch zu zwei guten Chancen. Die beste Gelegenheit aber besaßen wieder die Ingolstädter, als sie nach Rogers Ballgewinn im defensiven Mittelfeld mit fünf direkten Pässen Lex vor Neuer auf beachtliche Weise freispielten, der Torwart aber parierte. Man habe "gegen die beste Mannschaft in dieser Saison" gespielt, befand Guardiola beeindruckt und lobhudelte wegen sonst defensiver Gegner weiter: "Wenn alle so spielen wie Ingolstadt, wäre Fußball die beste Sportart der Welt."

Eine Überraschung war dieses völlig offene Spiel ohnehin, und mit jeder weiteren Minute rückte sogar eine Sensation näher. Vielleicht auch, weil die Münchner auf sieben angeschlagene Profis verzichten mussten. Doch dann zeigte Innenverteidiger Jérôme Boateng wieder einmal sein Talent als Spielmacher, als er Lewandowski mit einem weiten Steilpass schickte, ehe der Pole Özcan umkurvte und zur Führung einschob, sein 15. Saisontreffer. Ob es daran gelegen hatte, dass Guardiola kurz zuvor Lahm einen Zettel mit Anweisungen für diverse Umstellungen gegeben hatte? Lahm jedenfalls nutzte noch Müllers Zuspiel zum entscheidenden 2:0. Es war das erste Saisontor des Kapitäns bei diesem schwer erkämpften Pflichtsieg.

Zufrieden waren danach auch die Ingolstädter, wenngleich Öczan ein bisschen haderte mit den vergebenen Torchancen. "Unser Plan ging auf, unser Mut ging auf. Schade, dass unser Ergebnis nicht aufging", sagte der Torwart. Immerhin ein Ziel hatte aber auch der FCI erreicht: Der kesse Aufsteiger stellt weiterhin die zweitbeste Abwehr der Liga. Nach der des FC Bayern.

© SZ vom 13.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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