Linzer ASK:Versteckte Kamera auf österreichisch

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Ein „cooler“ Verein wolle man sein, hob Linz-Trainer Valérien Ismaël hervor. Ganz so cool finden die anderen Klubs aber den LASK gerade nicht. (Foto: Eibner/imago)

In der Corona-Pause hat der Tabellenführer gewechselt - der Linzer ASK verlor sechs Punkte am grünen Tisch.

Von Felix Haselsteiner, Linz/München

Der Höhepunkt des Linzer Fußballmärchens liegt mittlerweile sieben Monate zurück. 4:1 gewann der ASK im November sein Europa-League-Gruppenspiel gegen PSV Eindhoven und qualifizierte sich damit für die K.-o.-Runde. Der LASK erlangte endlich mal wieder Aufmerksamkeit über Österreichs Landesgrenzen hinaus, Trainer Valérien Ismaël trug passend dazu auf einer Pressekonferenz einen Kapuzenpullover mit der Aufschrift "Do haut's da den Beidl auf'd Seit'n" - eine nicht allzu feinsinnige österreichische Redensart, die sich mit der Schieflage des Hodensacks im Falle einer Extremsituation befasst.

Den sog. Beidl kann es in positiven Situationen "auf'd Seit'n" hauen, so geschehen nach den Triumphen des LASK im Herbst und noch im Februar gegen Serienmeister RB Salzburg (3:2). Oder aber in negativen Situationen, so wie seit jenem heute schon verfluchten 14. Mai. An diesem Tag flog auf, dass beim kleinen, hart arbeitenden und überaus erfolgreichen Linzer ASK in der Corona-Krise etwas gewaltig illegal gelaufen war: Unerlaubterweise hatte die Mannschaft komplett trainiert, nicht nur einmal, sondern gleich viermal. Derweil hatte sich der Rest der Liga, den Regeln entsprechend, noch in Kleingruppen bewegt.

Eine illegal montierte Kamera hatte die Bilder vom Training aufgezeichnet. Die mutmaßlichen Täter waren nachts ins Trainingszentrum des LASK eingebrochen und dabei selbst auf Überwachungsbildern zu sehen gewesen, was ein Thema für die oberösterreichische Polizei ist, die den Einbruch aufzuklären hat. Sportgerichtlich relevant sind nicht die Täter, sondern nur die Bilder. Diese waren - aus unbekannter Quelle - der Bundesliga-Geschäftsführung vorgelegt worden, die ein Ermittlungsverfahren gegen Linz startete.

Seit zwei Wochen ist der Trainingsskandal nun ein landesweiter Aufreger. Es geht um sportliche und finanzielle Unfairness, um Vertrauensbruch, um die gesellschaftliche Rolle des Fußballs, um Sportgerichtsbarkeit und im Kern, wie so oft in Österreich, auch um Neid. Am vergangenen Donnerstag nun wurde der LASK in erster Instanz zu sechs Punkten Abzug und einer Zahlung von 75 000 Euro verurteilt.

Eine "drakonische Strafe", wie sie die Kluboberen der Wiener Vereine Rapid und Austria unisono gefordert hatten, ist es nicht geworden, immerhin verloren die Linzer aber ihre Tabellenführung. Für viele ist das nicht genug. "Es ist jetzt eh nicht erlaubt, aber ich geb' dort keinem Spieler mehr die Hand", sagte der ehemalige österreichische Nationalspieler Jakob Jantscher der Kronen Zeitung; und in der Kleinen Zeitung äußerte sich Michael Liendl, Kapitän des Wolfsberger AC ähnlich: "Sechs Punkte sind nicht Fisch, nicht Fleisch. Der LASK hat Gesetze gebrochen. Ich bin der Meinung, dass so ein Vergehen hätte höher bestraft werden müssen." Von diesem Mittwoch an dürfen solche verbale Rechnungen auch in Österreich wieder auf dem Rasen beglichen werden: Der LASK startet mit einem Heimspiel gegen Hartberg; die nun drei Punkte vor dem LASK liegenden Salzburger erwarten Rapid Wien.

In einer TV-Sendung wurde die Spaltung der österreichischen Fußballwelt weithin sichtbar

Dass die übrigen Bundesligisten sich in drastischer Deutlichkeit von den Linzern abwenden, ist mit der Fallhöhe zu erklären, die sich der LASK aufgebaut hatte. Ein "cooler, ambitionierter, familiärer" Verein sei man, hatte Ismaël noch im Februar im Gespräch mit der SZ berichtet. Man genoss die Konkurrenz zu den Salzburgern und die eigene Erfolgsgeschichte: Aufgestiegen im Schnelldurchgang aus Liga drei in die Europa League - auf gut Österreichisch ist das: "a perfekte G'schicht". Linz war Werbung für Österreichs Liga.

Der Ärger kam plötzlich, und sie haben ihn sich selber einbrockt. Die Videos des LASK waren bereits auf dem Markt, da konterte Klubpräsident Siegmund Gruber mit dem haltlosen Vorwurf, ebenfalls im Besitz von Material zu sein, das andere, namentlich nicht benannte Teams bei illegalem Mannschaftstraining zeigen würde. Die Videos hat die Öffentlichkeit bis heute nicht gesehen. Und schließlich gingen die Linzer gegen das ohnehin eher milde Sechs-Punkte-Urteil in Revision. Dies führt zu der Lage, dass die Meisterentscheidung erst nach Ligaschluss am grünen Tisch fallen könnte, sollte der LASK sich wirklich durch alle Instanzen klagen.

Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund sieht in der Posse daher längst nicht nur einen Imageverlust für die Linzer. "Am Ende des Tages kann es sein, dass wir nicht wissen, wer auf welchem Tabellenrang steht. Das schadet dem österreichischen Fußball", sagte er in der Sky-Sendung "Talk & Tore", die am Montagabend ausgestrahlt wurde. Darin wurde die Spaltung in Österreichs Fußballwelt anschaulich: Freund diskutierte mit Vertretern von Sturm Graz, den Wiener Spitzenklubs und dem österreichischen Vizekanzler ausführlichst über den Spionagefall.

Der LASK hatte eine Einladung in die Sendung ausgeschlagen - und damit noch einmal unter Beweis gestellt, dass von der einstigen Coolness in Linz nicht mehr viel übrig ist.

© SZ vom 03.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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