Leverkusen vor dem Uefa-Pokal-Spiel:Romantische Träume

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Nach den Ergebnissen der letzten Wochen denkt Bayer 04 Leverkusen nicht nur an das Viertelfinale gegen RC Lens - vom Uefa-Cup-Finale wird schon geträumt.

Philipp Selldorf

Zum Schluss der letzten Unterrichtung machte Bayer Leverkusens Pressechef Ulrich Dost eine außerordentliche und im Grunde ungeheuerliche Mitteilung: "Es gibt noch Karten für morgen Abend", meldete er und gab damit Anlass zum Staunen. Während Punktspiele in der BayArena selbst gegen die ödesten Gegner regelmäßig ausverkauft sind, bleiben die Fans beim vielversprechenden Uefa-Cup-Match gegen Racing Club Lens, der großen Aufholjagd nach dem 1:2 im Hinspiel, zu Hause?

Dabei hatte Bayer 04 zuletzt doch eine Werbekampagne gestartet und mit dem 1:0-Sieg in Schalke, dem faszinierenden 3:1 gegen Stuttgart und dem hart erschufteten 0:0 in Hamburg viel fürs Renommee getan. Allerdings erneuerten die Leverkusener Spieler dabei auch ihren Ruf als Saisonarbeiter: Wie im Vorjahr scheinen sie vom Frühling zu großen Taten inspiriert zu werden. Gibt es womöglich einen Zusammenhang zwischen der (auf dem Parkplatz der Profis bereits eingeläuteten) Cabrio-Saison und den Leistungen des Teams? Handelt es sich um eine erbliche Bayer-Krankheit?

Trainer Michael Skibbe leugnet das selbstredend entschieden und führt dazu gleichfalls jahreszeitliche Argumente an: Es habe auch vor der Winterpause, "als es dunkel wurde und viel regnete", gute Spiele und Ergebnisse gegeben. Den Aufschwung führt er auf einen Sinneswandel in der zur Leichtfertigkeit neigenden Mannschaft an. Man habe den Wert der Defensivarbeit zu schätzen gelernt, sagt Skibbe, "das ist der bessere Ansatz, als mit dem Fußballspielen zu beginnen und alles andere links liegen zu lassen, weil man dachte, dass es sich von selbst ergibt".

Zahlreiche Baustellen

Nach den Worten von Kapitän Carsten Ramelow liegt ein Prozess zugrunde, der dazu führte, "dass die Ordnung stimmt, wir geschlossen als Mannschaft auftreten - was wir vorher nicht so gezeigt haben". Welche Rolle der famose neue Torwart Rene Adler dabei spielt, sagt Ramelow lieber nicht - was sich aus Gründen des Mitgefühls gegenüber dem alten Gefährten Jörg Butt, dem abgesetzten Stammkeeper, auch empfiehlt.

Immerhin findet sich der in Leverkusen als ständiger Mahner für professionelle Ernsthaftigkeit auftretende und daher häufig verzweifelnde Ramelow mittlerweile zu etwas Romantik bereit. "Man sollte ruhig ein wenig träumen", sagt er und meint damit einen Abend im Mai, genauer: den 16. Mai, wenn in Glasgow im Hampden Park das Uefa-Cup-Endspiel ausgetragen wird. Dort will Bayer hin. "An Glasgow haben wir ja noch gute Erinnerungen", sagt der Kapitän in Anbetracht des Champions-League-Finales 2002 gegen Real Madrid (1:2).

Aus dieser Zeit sind wenige übrig geblieben: Ramelow, Bernd Schneider, Juan und der bedauerliche Butt. Die beiden Letzteren werden sich am Saisonende verabschieden: Juan strebt ins Ausland, angeblich zum AS Rom, was Bayer eine für Investitionen verwendbare Entschädigung zwischen sechs und acht Millionen Euro einbringen würde. Wohin Butt sich wendet, ist offen. Aber dass er nach der frustrierenden Degradierung um Entlassung aus dem Vertrag bittet, scheint ausgemacht zu sein. Sportchef Rudi Völler ließ bereits wissen, dass man Butt wegen alter Verdienste "keine Steine in den Weg legen wird".

Viele Umbauarbeiten müssen bewältigt werden, Bayer hat etliche neue Stellen zu vergeben. Neben einem neuen Ersatztorwart sucht man einen soliden Innenverteidiger (umworben wird Kölns Sinkiewicz), einen weiteren Außenverteidiger und einen schnellen Stürmer als Ersatz für Andrej Woronin, der nach Liverpool umzieht. Nicht zur Disposition steht die Planstelle, die Sergej Barbarez ständig belegt, was nicht alle in der Anhängerschaft gutheißen. Doch Barbarez bleibt mindestens noch ein Jahr, und er spielt auch gegen Lens mit: "Er bekommt die Unterstützung, die er verdient", sagt Trainer Skibbe, "ihn in Frage zu stellen, kommt nicht in Frage."

© SZ vom 14.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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