Leipzig hat einen Verfolger weniger:Fehlgriff im Affekt

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Ein Blackout des Frankfurter Torwarts entscheidet das Spitzenspiel früh zu Gunsten der Leipziger. In Überzahl hat der Aufsteiger keine Probleme mehr, mit 3:0 zu gewinnen.

Von Johannes Aumüller, Leipzig

Für einen Moment war Lukas Hradecky unentschlossen, und diese kurze Unentschlossenheit erwies sich als fatal. Nach gerade einmal zwei Minuten kam ein Steilpass in Richtung des Frankfurter Torwartes, er lief heraus und dem Ball entgegen, doch dann stockte er für einen Moment, und als er dem Ball wieder entgegenlief, sah er das Unheil schon kommen. In einer etwas ungelenken Pose warf sich Hradecky in die Vorlage, die der lauernde Leipziger ansonsten mit ziemlicher Sicherheit zum Gegentor genutzt hätte, und mit seinen beiden kräftigen Armen packte der Finne den Ball. Doch da war er weit, weit außerhalb des Strafraums, und das wusste er auch. Die rote Karte, die ihm Schiedsrichter Deniz Aytekin entgegen streckte, nahm Hradecky kaum noch wahr. "Ich kann mich bei der Mannschaft nur entschuldigen", sagte er später. "Wenn ich jetzt noch einmal überlegen könnte, hätte ich den Ball lassen sollen. Aber ich musste was entscheiden, und als Torwart kann ich doch den Ball nicht reingehen lassen."

Die Folgen dieses Moments waren: erstens Platzverweis für Hradecky, zweitens die Gewissheit, dass die Gäste nun 88 Minuten in Unterzahl agieren mussten, und drittens - aus dem fälligen Freistoß heraus - der 1:0-Führungstreffer für Leipzig. So war der Grundstein gelegt, dass der Tabellenzweite RB problemloser als erwartet dieses Duell der beiden Überraschungsmannschaften gestalten konnte und mit einem ungefährdeten 3:0 (2:0) den Platz als erster und nur drei Punkte zurückliegender FC-Bayern-Verfolger behauptete.

Den hat er sicher - leider außerhalb des Strafraums: Frankfurts Schlussmann Lukas Hradecky fliegt gegen Leipzig nach nur drei Minuten vom Platz. (Foto: imago)

Frankfurt bekommt zwei Chancen, doch dann fällt das 2:0

Es war schon eine seltsame Aktion, die sich Hradecky da leistete, und sie passt so gar nicht zu seinen Auftritten in der jüngeren Vergangenheit. Der finnische Nationaltorwart mit den slowakischen Wurzeln steht seit Sommer 2015 in Frankfurt unter Vertrag, und spätestens in der Hinserie entwickelte er sich zu einem der besten Torhüter der Bundesliga. Die Defensive der Eintracht ist unter Trainer Niko Kovac insgesamt stark verbessert, aber es ist im Besonderen der Ruhe und Paraden Hradeckys zu verdanken, dass das Team bis zur Winterpause nur zwölf Gegentreffer kassierte und sich beim Tabellenvierten Europapokal-Träume breitmachen konnten. "Das war ein Reflex, da kann man ihm keinen Vorwurf machen. Es wäre schön gewesen, wenn wir elf gegen elf weitergespielt hätten. Dann wäre es ein klasse Spiel geworden", sagte Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic.

Der Torhüterwechsel selbst war dabei noch das geringste Problem, Ersatzmann Heinz Lindner machte seine Sache sehr ordentlich. Zunächst parierte er den Freistoß von Marcel Halstenberg, der aus Hradeckys Blackout resultierte, aber das brachte nicht viel, weil Marvin Compper beim Abpraller zur Stelle war und zum 1:0 einschoss (6.). Und danach verhinderte der Ersatzmann mit zwei spektakulären Paraden in der Anfangsviertelstunde, dass es zu einem Debakel kam. Die Szenen glichen sich stark: eine scharfe Hereingabe von rechts direkt vors Tor, doch dort scheiterten erst Timo Werner (12.) und dann Yussuf Poulsen (15.) an Lindners Reflexen.

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(Foto: Robert Michael/AFP)

Das hübscheste der drei Leipziger Tore: Timo Werner (r.) köpfelt nach einer Ecke das 2:0.

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(Foto: Robert Michael/AFP)

Zuvor hatte es Turbulenzen um Frankfurts Schlussmann Hradecky gegeben: Handspiel außerhalb des Strafraums, Rot und...

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(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

...ein daraus resultierender Freistoß, der zum Führungstor der Leipziger durch Marvin Compper (r.) führt.

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(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Eintracht-Trainer Nico Kovac sieht schon da nicht ganz glücklich aus: Der Abend wird für seine Mannschaft nicht mehr besser.

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(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Passend zum Frankfurter Spiel: Das 3:0 ist ein unglückliches Eigentor von Vallejo, der den Schuss von Leipzigs Halstenberg (nicht im Bild) ins Tor lenkt, anstatt zu klären.

Aber 88 Minuten Unterzahl gegen eine Mannschaft wie Leipzig, das kann halt nicht gutgehen. So sicher und selbstverständlich trat der Tabellenzweite auf, und nur nach dieser flotten Anfangsviertelstunde gestattete sie sich ein paar Nachlässigkeiten, die Frankfurts Ante Rebic prompt zu zwei Chancen nutze. Erst ergatterte er sich mit einer starken Grätsche im Mittelfeld den Ball und dribbelte allein auf Peter Gulacsi zu, wo ihn jedoch die vom Sprint geschwundenen Kräfte und ein starkes Störmanöver von Leipzigs Verteidiger Bernardo um einen konzentrierten Abschluss brachten (25.). Dann versuchte er es mit einem guten Distanzschuss, den Leipzigs Keeper hielt (34.).

Sabitzer zwingt Vallejo zum Eigentor

Doch kurz vor der Pause schwand die kleine Hoffnung der Gäste endgültig. Eine Freistoßflanke von Keita verlängerte Werner mit dem Hinterkopf zum 2:0 ins Netz (45.+4). Zwei Tore Rückstand, ein Mann Unterzahl, da war nichts mehr drin.

Deshalb war es nicht verwunderlich, dass in der zweiten Hälfte zunächst nicht mehr viel passierte. Die Leipziger kontrollierten das Geschehen, und als sie einmal eine Druckphase einlegten, fiel auch der dritte Treffer. Die Kopfballchance von Ilsanker (66.) ging noch daneben, und auch Keita brachte den Ball nicht im Tor unter. Aber dafür schoss Marcel Halstenberg den kurz vor der Torlinie stehenden Frankfurter Jesus Vallejo so fest an, dass von dessen Beinen der Ball zum 3:0 ins Netz prallte (67.). Keita verpasste dann nach feinem Dribbling das 4:0 (74.), und kurz vor Schluss gab der Schiedsrichter einen Treffer von David Selke wegen angeblichen Foulspiels nicht.

"Das Spiel war kein Gradmesser in dem Sinn, deswegen können wir es schnell zur Seite legen", sagte Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl. "Jetzt kommt Hoffenheim, das wird noch einmal ein ticken schwerer." Zumindest wenn deren Torwart Oliver Baumann länger auf dem Feld ist als zwei Minuten.

© SZ vom 22.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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