Leichtathletik:Zoff um die Norm

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Marathonläufer Philipp Pflieger glaubt weiter an die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio - und daran, dass der Deutsche Leichtathletik Verband die geforderten Zeiten doch noch anpasst.

Von Alexander Mühlbach

Irgendwann sagt Philipp Pflieger die sechs Worte, die alles verändern könnten. Sein Jahr, seine Karriere, vor allem aber die deutsche Leichtathletik. "Ich werde es nicht mehr versuchen", sagt der Marathonläufer, bevor er sich an jenen Tag im September zurückerinnert, als er sich beim Berlin Marathon für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro qualifizieren wollte. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) forderte dafür eine Zeit von 2:12:15 Stunden. Pfliegers Uhr blieb bei 2:12:50 stehen. Geknickt hatte er damals in die Kameras gesagt: "Ich werde es im Frühjahr noch einmal probieren." Jetzt aber lässt es der zweitbeste deutsche Marathonläufer des Jahrtausends bleiben. Die Vorbereitungszeit sei zu kurz, sein Sprunggelenk schmerze, sein Körper habe sich noch nicht von den Strapazen erholt. Ein weiterer Marathon, würde ihn "kaputt machen".

In vielen Fällen wäre der Olympia-Traum nun zu Ende, aber der Regensburger glaubt weiterhin an seine Teilnahme. Denn der 28-Jährige hat die Qualifikation des DLVs zwar verpasst, nicht aber die des Weltleichtathletikverbands (IAAF). Letzterer erlaubt allen Läufern, die unter einer Zeit von 2:17 Stunden bleiben, an Olympia teilzunehmen. Der DLV setzt aber auf verschärfte Qualifikationskriterien, weil er nur Athleten zu internationalen Großereignissen mitnehmen will, die gut genug sind, um unter die besten zwölf zu kommen - was Pfliegers Trainer Kurt Ring gar nicht passt. Dieser beklagt, dass es das olympische Motto "Dabei sein ist alles" in Deutschland gar nicht mehr gäbe. "Deutsche Athleten dürfen einfach nicht Letzte werden", sagt Ring. "Ich hab das satt." So satt, dass Pflieger jetzt auf einen weiteren Marathon verzichtet und es damit beim Verband drauf ankommen lässt. Nimmt der DLV seinen zweitbesten Läufer nun durch eine Ausnahmeregelung nach Rio mit? Oder hält er an seinen Kriterien fest?

Egal, wie der Verband entscheidet: Es könnte ein Präzedenzfall für die deutsche Leichtathletik werden, an dessen Ende das Nominierungssystem stürzen könnte. "Hier geht es nicht nur um mich, sondern um alle Leichtathleten", sagt Pflieger. "Wenn wir einfach die internationalen Normen nehmen würden, wie sie sind, dann hätten wir diese ganze Diskussion nicht." Er findet es "Quatsch", dass der DLV denkt, nur mit härteren Qualifikationsregeln international vorne dabei sein zu können: "Jeder von uns Leichtathleten versucht immer das Maximum aus dem Körper rauszuholen, ganz egal, ob es verschärfte Normen gibt oder nicht." Nie, sagt Pflieger, sei der Zeitpunkt günstiger gewesen, um etwas zu ändern. Immer mehr Medien würden auf seinen Fall aufmerksam machen, der Verband werde von allen Seiten kritisiert. Die IAAF hat am Montag unterdessen angekündigt, in 17 der 43 Disziplinen die Olympia-Normen zu senken, darunter auch im Marathon. Der DLV wird laut Sportdirektor Thomas Kurschilgen seine eigenen Kriterien dementsprechend anpassen, auch um den Athleten zu zeigen, dass der Verband den Mut habe, "bisherige Entscheidungen zu korrigieren".

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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