Leichtathletik:Gegen die Schmerzen

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"Der Trainer geht auf jeden einzeln individuell ein und setzt auch neue Reize", sagt Florian Stelzle, Gewinner des diesjährigen München-Marathons. (Foto: Claus Schunk)

Trainer Günter Zahn bringt für die LG Passau immer wieder Läufer nach vorne - wie den München-Marathon-Gewinner Florian Stelzle.

Von Alexander Mühlbach

Man sagt, dass ein Marathon bei Kilometer 35 erst so richtig anfängt. Dann, wenn die Muskeln weh tun, wenn der Körper danach schreit, endlich stehen zu bleiben, dem Kopf anzeigt, endlich aufzuhören mit dem Unsinn. Ein ewiges Hin und Her, zwischen den Signalen des Körpers und dem Willen des Kopfes. Entweder man rennt durch, oder man gibt den Schmerzen nach.

Florian Stelze, der Sieger des München- Marathons am Sonntag, war noch nie ein Mann für Letzteres. Er war schon Zehnter beim Ironman in Frankfurt, war zweimal beim Ironman auf Hawaii dabei. Er weiß mit Schmerzen umzugehen. Dieser Moment bei Kilometer 35 war also nichts Neues für den 37-Jährigen. Neu war, dass die Schmerzen schon viel früher begannen. Schon direkt nach dem Startschuss.

Wenn er ehrlich sei, sagt der Reallschullehrer, habe er schon damit gerechnet, dass die Schmerzen früh kommen würden. Es war sowieso ein halbes Wunder, dass er überhaupt startete. War er doch neun Tage vor dem München-Marathon beim Training umgeknickt, wodurch das Band an seinem linken Sprunggelenk anriss, und er eine dicke Schwellung bekam. "Ich bin auf einer welligen Strecke gelaufen", erzählt der Athlet der LG Passau - so wie er das immer macht. Stelzle liebt es, querfeldein zu laufen. Am besten im Bayerischen Wald. Über Stock und Stein, auf unebenem Untergrund, irgendwo fernab des Asphalts, das schont das Gestell. Es wäre ja außerdem auch langweilig, immer nur auf hartem Untergrund zu laufen, immer nur dasselbe zu sehen. Daher lässt der frühere Triathlet häufig mal die Laufschuhe stehen, springt in den See oder schwingt sich auf das Mountainbike. "Im Training nur zu laufen ist schwierig", sagt Stelze: "Da wird die Gefahr für Verletzungen deutlich größer."

Die LG Passau zahlt ihren Athleten keine Prämien - und oft nicht einmal die Fahrtkosten

Es ist die Ironie an dieser Geschichte, dass sich Stelzle gerade deswegen verletzte, weil er so abwechslungsreich trainiert. Er konnte kaum noch gehen, hatte den Marathon fast abgeschrieben. Nach einer Kernspintomografie bekam er doch noch die Freigabe vom Arzt. Also biss sich der Passauer durch den Marathon. 2 Stunden, 29 Minuten und 57 Sekunden lang. Gegen die Schmerzen, gegen die acht Grad kalte Außentemperatur, gegen die stetigen Zweifel, ob das Sprunggelenk halten würde.

Am Ende überquerte Stelzle als Erster die Ziellinie im Olympiastadion. Wohl auch, weil der deutsche Marathonmeister seit diesem Jahr nicht mehr in München, sondern in Frankfurt gekürt wird. Weshalb kein deutscher Spitzenläufer in München am Start war. Dennoch hätte Stelze nie gedacht, den Lauf zu gewinnen. Für seinen Trainer Günter Zahn war der Lauf - zumindest von der Zeit her - keine Überraschung: "Florian war in den letzten Wochen vor seiner Verletzung so gut in Form." So wie überhaupt seine gesamte Passauer Mannschaft gut in Form war. Denn neben Stelzle gewannen auch noch dessen Vereinskollegen Tobias Schreindl und Susanne Ölhorn jeweils den Halbmarathon.

Die Passauer Dominanz ist inzwischen keine Überraschung mehr. Denn Zahn führte Schreindl schon im vergangenen Jahr zum Marathonsieg in München. Im Jahr 2011 gelang ihm dasselbe mit Richard Friedrich. "Ich würde schon sagen, dass das hier die beste Phase in meiner Trainerkarriere ist", sagt Zahn. Er selbst hat 23 deutsche Meistertitel von den Jugend- bis zu den Seniorenklassen gesammelt. Einmal war er sogar bei Olympia dabei, als Fackelläufer: 1972 entzündete er das Olympiafeuer in München.

Die Passauer sind froh, ihn als Trainer zu haben. Seit Jahren bringt er immer wieder schnelle Marathonläufer hervor. Und das, obwohl Passau ein so kleiner Verein ist, dass dieser seinen Athleten nicht mal Prämien zahlen kann und auch die Fahrtkosten nur bei großen Meisterschaften zurückerstattet. Selbst in der Leichtathletik, einer Sportart mit vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln, ist das unüblich. "Aber meine 15 Athleten verstehen sich untereinander gut, jeder hilft dem anderen", versucht Zahn seinen Erfolg zu erklären. Noch nie sei einer seiner Athleten aus Geldgründen gewechselt. Fabian Stelzle führt das alles eher auf die Trainingsmethoden zurück: "Der Trainer geht auf jeden einzeln individuell ein und setzt auch neue Reize." So konnte er sich auch trotz des hohen Alters noch mal verbessern, sagt er.

Und nun? Will Stelzle erstmal drei Wochen Pause machen. "Dem Körper Zeit zur Erholung geben", sagt er. Danach will er die 2:25-Stunden-Marke im Marathon angreifen. Am besten erst mit Schmerzen ab Kilometer 35.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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