Leichtathletik-EM:Adoptiert vom alten Mann

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Die Zuschauer in Göteborg werden Zeuge eines Generationswechsels: Der tschechische Altmeister im Zehnkampf, Tomas Dvorak, nimmt den Deutschen Pascal Behrenbruch unter seine Fittiche.

Joachim Mölter

Über den Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch, 21, hat dessen Mitstreiter Stefan Drews, 27, in diesen Tagen scherzhaft bemerkt: "Das ist ja noch ein kleiner Junge."

Pascal Behrenbruch: Der 21-Jährige ist der neue Schützling von Altmeister Dvorak - und nimmt dessen Tipps gerne an. (Foto: Foto: AP)

Nun ist Behrenbruch fast zwei Meter groß und fast hundert Kilo schwer, was man nicht mehr wirklich als klein bezeichnen kann, aber in gewisser Weise stimmt es sogar: Der Frankfurter war in Göteborg zum ersten Mal bei den Männern dabei, als die am Donnerstag und Freitag um einen internationalen Titel kämpften.

Bei solchen Gelegenheiten hat es sich bewährt, wenn man ältere Athleten zur Seite hat, die einem mit ihrer Erfahrung helfen können. Bei Behrenbruch hat diese Rolle Tomas Dvorak übernommen, der dreimalige Weltmeister aus Tschechien. "Das ist Pascals neuer Ziehvater", hat Drews in Göteborg beobachtet, "der hat ihn richtig adoptiert."

Dvorak hat seine beste Zeit hinter sich, seine WM-Titel gewann er in den Jahren 1997, 1999 und 2001; er ist mittlerweile 34 und damit der älteste Zehnkämpfer bei dieser EM. Jünger als Behrenbruch ist nur noch der Russe Alexej Sisojew, um sieben Wochen. Insofern kann man Behrenbruchs Adoption durchaus symbolisch sehen als eine Art Generationswechsel: Der große alte Mann führt seine Nachfolger in die internationale Zehnkampf-Familie ein.

Dvorak kümmert sich jedenfalls rührend um den jungen Deutschen, er arbeitet ihn richtiggehend ein. "Beim Kugelstoßen hat er ihm Tipps gegeben wie ein Trainer", berichtete Drews, und als Behrenbruch daraufhin eine persönliche Bestleistung erreichte (16,15 Meter) haben sich die beiden abgeklatscht wie Teamgefährten.

"Das ist hammergeil und unheimlich motivierend, von so einem Superstar Tipps zu bekommen", sagt Behrenbruch. Bei ihm schlug sich das in etlichen Bestmarken nieder, außer im Kugelstoßen schaffte er auch noch welche über 100 und 400 Meter (10,90 bzw. 48,48 Sekunden) sowie über 110 Meter Hürden (14,25). Nach sechs Disziplinen lag der deutsche Juniorenmeister damit sogar auf Platz zwei, hinter Dvoraks Landsmann Roman Sebrle, dem auch schon 32 Jahre alten Titelverteidiger.

Sebrle ist etwas zurückhaltender gegenüber der Konkurrenz, Dvorak hingegen scheint sich es sich zum Ende seiner Karriere hin geradezu zur Aufgabe gemacht zu haben, jungen Athleten beim Aufstieg in die internationale Spitze zu helfen.

André Niklaus, der verletzt auf der Tribüne sitzende Hallen-Weltmeister aus Berlin, hat diese Erfahrung jedenfalls schon bei der WM 2003 in Paris gemacht, seinem internationalen Debüt. "Er sieht das locker", sagt Niklaus über Dvorak: "Er hilft gerne, gibt sein Wissen gerne weiter und hat auch gezeigt, dass er mit wesentlich jüngeren Sportlern zurechtkommt - das macht einen großen Sportler aus."

Auch für Pascal Behrenbruch ist die positive Erfahrung mit Tomas Dvorak nicht völlig neu. Ende Mai, beim traditionellen Mehrkampf-Meeting in dem österreichischen Ort Götzis, war er dem Altmeister erstmals begegnet: "Damals hat er mir beim Hochsprung geholfen, als ich einen Krampf hatte."

In Göteborg setzt sich die Zusammenarbeit nun fort, es ist ja keine einseitige Angelegenheit. Behrenbruch revanchierte sich für die technischen Tipps des alten Mannes beispielsweise, indem er beim Weitsprung schaute, ob Dvoraks Anlauf stimmte und dieser den Absprungbalken auch optimal traf.

Mehr traut sich Pascal Behrenbruch im Moment noch nicht zu sagen, obwohl er an den Punkten gemessen schon der Bessere ist. Dem alten Tschechen in Schweden etwas vorzumachen, "von wegen: Hüfte weiter vor beim Wurf oder so", verbietet Behrenbruch der Respekt vor Dvoraks Lebensleistung: "Das weiß der doch schon alles."

© SZ vom 12.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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