Leichtathletik:Afrikas Rekordantrieb

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Mit großen Schritten zum Brandenburger Tor: Tirunesh Dibaba, die Bahn-Olympiasiegerin aus Äthiopien, ist Favoritin in Berlin. (Foto: Xinhua/imago)

Beim Berlin-Marathon führt Äthiopiens Olympiasiegerin Tirunesh Dibaba am Sonntag das bislang stärkste Frauenfeld an.

Von Joachim Mölter, Berlin/München

Auch beim 45. Berlin-Marathon werden die Männer noch mehr Aufmerksamkeit bekommen als die Frauen, ganz einfach, weil sie eher im Ziel sein werden, womöglich sogar wieder einmal in Rekordgeschwindigkeit. Den beiden Kenianern Eliud Kipchoge (Bestzeit: 2:03:05 Stunden) und Wilson Kipsang (2:03:13), die das Feld der mehr als 44 000 Teilnehmer anführen, fehlt jedenfalls nicht viel zur Weltbestzeit ihres Landsmannes Dennis Kimetto, die dieser vor vier Jahren auf 2:02:57 Stunden herabgesetzt hat, nicht ganz zufällig in Berlin übrigens. Seit 2003 sind die Männer-Weltrekorde über die 42,195-Kilometer-Distanz generell nur noch in der deutschen Hauptstadt verbessert worden.

Nur zwei Läuferinnen waren jemals schneller als Dibaba

"Ich weiß natürlich, dass die Strecke sehr schnell ist", sagt also die Äthiopierin Tirunesh Dibaba, die am Sonntag (9.15 Uhr/ARD und rbb) erstmals in Berlin antritt und ebenfalls Hoffnungen hegt: Bei den Frauen hat die Britin Paula Radcliffe vor fünfzehn Jahren in London das Maß auf 2:15:25 Stunden gesetzt. "Den Weltrekord zu knacken, wird schwierig", sagt Dibaba, "aber ich werde ihn attackieren."

Die 33-Jährige, ihres Zeichens dreimal Olympiasiegerin auf der Bahn und dort immer noch Weltrekordlerin über 5000 Meter (14:11,15 Minuten), ist erst am Anfang ihrer Marathon-Karriere, 2016 war sie bei Olympia in Rio noch über 10 000 Meter unterwegs. Im Marathon ist Dibaba aber auch schon bei 2:17:56 Stunden angelangt, nur Radcliffe und die Kenianerin Mary Keitany (2:17:01) waren jemals schneller.

Bei ihrem insgesamt fünften Marathonstart steht Dibaba nun an der Spitze des besten Frauenfelds in der Geschichte des Berlin-Marathons. Außer ihr starten noch drei weitere Läuferinnen, die Ergebnisse von weniger als 2:20 Stunden vorweisen können, eine Zeit, die nach wie vor eine große Barriere bei den Frauen ist. Die Vorjahressiegerin Gladys Cherono (Kenia/ 2:19:25) sowie Aselefech Mergia (Äthiopien/2:19:31) und die zweimalige Weltmeisterin Edna Kiplagat (Kenia/ 2:19:50) haben diese Marke ebenfalls schon unterboten. Was die Qualität in der Spitze angeht, können die Frauen in Berlin jedenfalls durchaus mit den Männern mithalten.

Wenn man sich die Teilnehmerlisten des anstehenden Marathon-Herbstes anschaut, fällt auf, dass die Frauen-Felder so stark besetzt sind wie nie zuvor. Gerade aus ostafrikanischen Ländern schwappt eine Welle ambitionierter Läuferinnen heran, wie Katrin Dörre-Heinig bestätigt, die einstige deutsche Rekordlerin (2:24:35 im Jahr 1999) und heutige Bundestrainerin in dieser Disziplin. Waren es im vorigen Jahrzehnt noch Läuferinnen aus Großbritannien, den USA, Japan, China und auch Deutschland, die bei den großen Stadtläufen das Tempo machten, gibt es jetzt "immer mehr afrikanische Läuferinnen, die das Weltniveau bestimmen", hat Dörre-Heinig beobachtet.

Die Gründe dafür sind einfach: Auch in Afrika setzt sich die Gleichberechtigung der Frauen durch, was dazu führt, dass sie stärker zum Lebensunterhalt einer Familie beitragen können. Und das Geld, das bei Laufveranstaltungen in Europa und Nordamerika zu verdienen ist, erscheint durchaus lukrativ. "Von 20 000 Euro kann man in Afrika lange zehren", weiß Dörre-Heinig; gerade afrikanische Läuferinnen haben "eine unheimlich hohe Motivation und sind sehr hungrig", findet sie.

Das gilt selbst für Tirunesh Dibaba, obwohl die schon viele Prämien erlaufen hat in ihrer Karriere. "Sie kann sich im Rennen quälen wie kaum jemand", sagt der Berliner Renndirektor Mark Milde: "Nach all ihren Erfolgen hat sie immer noch einen enormen Antrieb." Am Donnerstag sagte die Äthiopierin: "Wenn es Gottes Wille ist, dann laufe ich eine persönliche Bestleistung. Wir haben das Training ausgebaut und verbessert." Eine persönliche Bestzeit wäre gleichbedeutend mit einem neuen Streckenrekord, der für die Frauen steht seit 2005 bei 2:19:12 Stunden, aufgestellt von der Japanerin Mizuki Noguchi. Neben der Siegprämie von 40 000 Euro winkt ein zusätzlicher Bonus von 30 000. Was die Entlohnung angeht, haben die Marathonläuferinnen schon das gleiche Niveau wie ihre männlichen Kollegen erreicht, und auch sonst werden sie in Berlin gleich behandelt. Tirunesh Dibaba bekommt jedenfalls Tempomacher zur Seite gestellt, die sie zu einer neuen Bestzeit mitziehen sollen; bei ihren vier bisherigen Starts war sie auf eigene Faust unterwegs gewesen. Man kann das als Zeichen sehen, dass die Frauen etwas mehr Aufmerksamkeit genießen.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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