Kroatien:Das Herz fehlt

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Nicht nur für Kroatien ist Domagoj Duvnjak schwer zu ersetzen: Auch der Handball-Bundesligist THW Kiel beklagt die Verletzung des Rückraumspielers. (Foto: Marko Djurica/Reuters)

Der wichtigste Spieler des Gastgebers, Domagoj Duvnjak, fällt für die Vorrunde der Europameisterschaft aus. Die Ambitionen der Mannschaft werden dadurch gedämpft - und die Stimmung ist angespannt.

Von Ralf Tögel, Zagreb

Für sich selbst konnte Andreas Wolff Entwarnung geben, "das ist keine Verletzung, alles gut". Der Torhüter der deutschen Handball-Nationalmannschaft war nach famoser Leistung im Auftaktspiel gegen Montenegro zwölf Minuten vor dem Ende vom Feld gehumpelt, der Fuß schmerzte - und bewegte fortan die deutsche Handball-Gemeinde. Eine Nacht lang, dann gab Wolff am Sonntagmorgen ganz entspannt Entwarnung: "Ich trainiere heute", kein Grund zur Aufregung also. Für einen Kollegen seines Arbeitgebers THW Kiel konnte er hingegen nur Bedauern ausdrücken: "Für Dule tut es mir unendlich leid." Dule, das ist Domagoj Duvnjak, Spielmacher in Kiel und der kroatischen Nationalmannschaft. Auch der 28-Jährige war beim 32:22-Auftaktsieg der Kroaten gegen Serbien in den Schlussminuten vom Feld gehumpelt, allerdings mit schlimmeren Folgen. Bei einer MRT-Untersuchung wurde ein Hämatom festgestellt, wie der kroatische Verband nun mitteilte. Damit muss Trainer Lino Cervar auf seinen Kapitän und Taktgeber definitiv für die Vorrunde des Turniers verzichten, wie er beklagte, die kroatischen Medien fanden drastischere Worte: Die Ambitionen des Gastgebers hätten einen üblen Dämpfer erhalten, denn der Mannschaft sei "das Herz" herausgerissen worden.

Duvnjak war nach einer Patellasehnen-Operation mehrere Monate ausgefallen und erst im vergangenen Dezember in den Kieler Kader zurückgekehrt. Was der schlecht in die Saison gestarteten Mannschaft sofort Stabilität verlieh, auch im Kieler Team ist der kreative Rückraumspieler unersetzlich. THW-Coach Alfred Gislason hatte seinem wichtigsten Akteur in diesem Bewusstsein von der Teilnahme an der Europameisterschaft abgeraten. Keine Option für Duvnjak, was Kollege Wolff versteht: "Man kann Dule doch keinen Vorwurf machen, dass er die EM im eigenen Land spielt. Die Teilnahme ist absolut gerechtfertigt." Die Aussicht auf eine Fortsetzung des Turniers ist für Duvnjak jedoch minimal, so kann man die Aussage des kroatische Teamarztes Kresimir Rotim zumindest deuten. Der habe davon gesprochen, dass Duvnjak zu 99 Prozent nicht rechtzeitig fit werde, war aus Kreisen des kroatischen Verbandes zu erfahren. Der Spielgestalter hat offenbar einen Muskelfasseriss in der rechten Wade. Zwar hat die medizinische Abteilung der Kroaten umgehend die Behandlung begonnen, allein die Chance auf eine rechtzeitige Genesung ist nahezu ausgeschlossen.

In Denis Buntic hat der Verband bereits einen Ersatzmann nachnominiert, der Linkshänder vom ungarischen Champions-League-Teilnehmer Pick Szeged ist indes kein Mittelspieler. Mit dem Fehlen von Kreativkraft Duvnjak konzentriert sich die Last der Spielgestaltung ganz auf Luka Cindric. In die Kritik ist auch Trainer Lino Cervar geraten, der seinem Topspieler trotz großem Vorsprung keine Auszeit gönnte.

Auf wenig Freude trifft die Verletzung sowie der Gedanke an eine Rückkehr von Duvnjak in die Hauptrunde des Turniers erwartungsgemäß im hohen Norden: "Wenn die Kroaten jetzt mit aller Macht versuchen, dass er bei der EM noch spielen kann, sind wir wieder die großen Verlierer des Turniers", sagte Kiels Trainer Gislason den Kieler Nachrichten.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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