Kommentar:Superkraft und Höllenfeuer

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Die mündigen Sportler von heute ordnen sich ihren Funktionären nicht mehr demütig unter, wenn ihnen etwas nicht passt. Doch leider denken auch sie nicht immer bis ins Detail über ihre Äußerungen nach.

Von Claudio Catuogno

Die heißesten Orte der Hölle sind vermutlich doch für andere reserviert als für einen Sportstrippenzieher wie Thomas Bach. Insofern ist dem Diskus-Olympiasieger Christoph Harting die verbale Wurfscheibe mal wieder ein bisschen schief rausgerutscht, als er, angesprochen auf den IOC-Präsidenten, ein Zitat des großen italienischen Dichters Dante Alighieri (1265 - 1321) bemühte: "Die heißesten Orte in der Hölle sind reserviert für jene, die in Zeiten moralischer Krisen nicht Partei ergreifen." Gesagt hat Harting das bei einer Pressekonferenz zum Berliner Leichtathletik-Meeting "Hallen-Istaf", was jetzt den schönen Effekt hat, dass diese für Februar 2017 terminierte Veranstaltung schon heute ebenso im Gespräch ist wie Harting selbst. Krawall geht halt immer, und wenn dieser Krawall dann auch noch im Gewande mittelalterlicher Literatur daherkommt . . .

Tatsächlich trifft Dantes Höllen-Zitat Bachs Wirken auf dem Olymp vor allem insofern, als dass der deutsche Präsident dort eine moralische Krise verwaltet. Eine, die er selbst mit heraufbeschworen hat. Allerdings nicht, weil er die Dinge im Sommer einfach laufen ließ, als die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada dem IOC den Komplett-Ausschluss russischer Sportler von den Sommerspielen in Rio empfahl; Stichwort: Staatsdoping. Sondern, weil er im Gegenteil derart entschieden Partei ergriff für die Delegation seines Sportsfreunds Wladimir Putin, dass viele sich fragten, für wen oder was genau Bach da eigentlich seine Rest-Reputation aufs Spiel setzte.

Nun ja, die Details. In jedem Fall liegt Christoph Harting mit seiner harschen Kritik im Trend. Anders als früher ordnet sich der mündige Sportler von heute nicht mehr demütig und widerspruchslos seinem Funktionär unter, wenn ihm dessen Wirken nicht passt. Jüngstes Beispiel: Die deutschen Spitzensportler, die bisher im Einflussbereich des Dachverbands DOSB ihre Athletensprecher wählten, wollen jetzt eine Gewerkschaft gründen. Unabhängiger sein. Sich freier äußern und positionieren können. Hin und wieder zum Beispiel eine hübsche Spitze auf Kosten des IOC-Chefs schärft ja auch das eigene Profil.

Nun hat Christoph Harting allerdings auf der gleichen Pressekonferenz, auf der er Bachs Anti-Doping-Kurs kritisierte, auch ankündigt, bald den Weltrekord anzugreifen. Zur Erinnerung: Der liegt bei sagenhaften 74,08 Metern, aufgestellt 1986 vom DDR-Muskelmann Jürgen Schult. Klingelt da was? Irgendwoher müsste Harting sich wohl noch ein paar Superkräfte besorgen, wenn das sein Ziel ist: Weltrekord. Und ob das wirklich der Ausweg aus der moralischen Sportkrise wäre - alte DDR-Fabelmarken zu unterbieten? Nun ja, die Details.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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