Kommentar:Sisyphos des Weltfußballs

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Die Situation von RB Salzburg ist bizarr. Das Team siegt in Österreichs Liga. Doch international gelingt keine erfolgreiche Entwicklung.

Von Thomas Gröbner

Im Sport gibt es etwas Unangenehmeres als Häme: Mitleid. Doch ganz so weit scheint es mit RB Salzburg noch nicht gekommen zu sein, denn es wird gerade lustvoll gespottet über den Verein, der zum elften Mal den Einzug in die Champions League verpasst hat. Die Liste der Peinlichkeiten ist dabei lang, von einer "Nacht der Schande" raunte man zum Beispiel, als die Männer aus der Geburtsstadt Mozarts es gegen den F91 Düdelingen aus Luxemburg vergeigten. Wer in Österreich heute "sein Düdelingen erlebt", der hat gegen die Gesetze der Wahrscheinlichkeit mal wieder eine Blamage zu verantworten.

In diesem Sommer hieß Salzburgs Düdelingen Roter Stern Belgrad. Vor den Augen von Klubboss Dietrich Mateschitz gab Salzburg binnen 77 Sekunden das Spiel aus der Hand, das 2:2 besiegelte das Aus. "Natürlich sind wir jetzt wieder die Blöden, wie in den vergangenen Jahren", klagte Sportchef Christoph Freund. Salzburg ist im Begriff, aus der schwarzen Serie eine Tradition zu machen. Dabei wird dem Fußballverein ja gerade das oft vorgeworfen: dass sich in ihm niemand an der Glut der eigenen Vergangenheit wärmen kann. Schließlich ist es nicht so lange her, dass Milliardär Mateschitz den Arbeiterverein Austria Salzburg entkernte, neu entwarf und als Markenbotschafter seines Brausekonzerns auf die Fußballbühne schickte. Nun kritzelt der Klub sich ein eigenes Kapitel in die Geschichtsbücher des Weltfußballs, Überschrift: "Die Tradition des Scheiterns".

Dabei sind die Salzburger nicht alleine in ihrem Kreislauf aus Hoffen und Enttäuschung. Es gibt andere Unglückliche, die Hertha aus Berlin etwa, die seit 1985 nach einem Pokalfinale im eigenen Stadion lechzt (nach Berlin fahren immer nur die anderen) und auf dem Weg dorthin zuverlässig stolpert. Ivan Lendl, der fast alles gewann, aber ohne Wimbledon-Sieg in Rente ging. Oder der unglückliche Quarterback Jim Kelly, der viermal nacheinander den Superbowl verpasste. Fahrlässig hat Salzburg die Möglichkeit verstreichen lassen, dem Projekt RB Salzburg neuen Schwung zu geben. Denn in der Liga ist die Mannschaft konkurrenzlos, trotzdem laufen dem Verein die Zuschauer davon. Bei einem Pokalspiel im Frühjahr verirrten sich nur 1535 Fans auf die Tribüne. Das Team siegt das Stadion leer, der Klub hat es sogar verkleinert. Längst hat sich die Gunst von Mateschitz der Leipziger Dependance zugewandt, Salzburg dient eher als Ausbildungsverein, die Besten landen bei RB Leipzig. Am Ende könnte die Geschichte der Salzburger Mannschaft, dieses Sisyphos der Weltfußballs, doch gut ausgehen. Ein anderer könnte kommen und das schaffen, woran Salzburg so zuverlässig scheitert. Gewinnt die Königsklasse diese Saison ein Klub, der sich schon über die Liga einen Startplatz gesichert hat, und wird Salzburg österreichischer Meister (es wäre der sechste Titel in sechs Jahren), dann endet diese Serie - und RB Salzburg zöge ohne Qualifikationsspiel in die Champions League ein. So, vielleicht nur so, könnte es doch noch klappen.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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