Kommentar:Schmutz im System

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Für die Spiele 2024 und 2028 braucht niemand Seltsamkeiten bei der Abstimmung fürchten - die IOC-Führung dealte alles ohne Wahl im Hinterzimmer aus.

Von Johannes Aumüller

Jetzt hat es in dieser Affäre also den nächsten Sportfunktionär aus dem Reigen der Mitglieder und Ehrenmitglieder des Internationalen Olympisches Komitees erwischt. Erst war der Brasilianer Carlos Nuzman dran gewesen, dann der frühere namibische Spitzensprinter Frankie Fredericks, und nun ist die Reihe am Japaner Tsunekazu Takeda: Am Dienstag kündigte der 71-Jährige an, seine Posten im japanischen Sport und auch seine IOC-Mitgliedschaft niederzulegen. Takeda beteuert zwar, dass er sich nicht falsch verhalten habe. Aber er steht schon seit geraumer Zeit gehörig unter Druck. Der Verdacht: Korruption rund um die im Herbst 2013 erfolgte Vergabe der Spiele nach Tokio 2020.

Wie gerne tut mancher Vertreter des IOC so, als sei das Korruptionsthema etwas längst Vergessenes, ein Fall von Geschichtsschreibung aus jenen Jahren, als es den großen Bestechungs-Skandal rund um die Winterspiele 2002 in Salt Lake City gab. Das Gegenteil ist richtig, das Thema ist hoch aktuell.

Schon seit drei Jahren gehen französische Ermittler den Vergaben der Spiele 2016 (Rio de Janeiro) und 2020 (Tokio) nach. Das langjährige IOC-Mitglied Lamine Diack und sein Filius Papa Massata sollen das Verschachern von Stimmen organisiert haben. Vor der Rio-Kür flossen 1,5 Millionen Euro an Diacks Firmengeflecht, rund um die Tokio-Wahl 1,8 Millionen Euro. Und wer weiß schon, ob auf Fredericks, Nuzman und Takeda nicht noch ein IOC-Mitglied folgt, den dieser Strudel mitreißt.

Rio und Tokio sind auch keine Einzelfälle, wenn es um Korruptionsverdacht bei Spielevergaben geht. Bei Sotschi 2014 ist seit dem Tag der Kür die Frage, wie sich die finanziell potenten und sportpolitisch einflussreichen Russen trotz schlechter Bewertungen gegen die Konkurrenz durchsetzen konnten. Und auch mit Blick auf Pyeongchang 2018 interessiert sich die französische Staatsanwaltschaft für solch fragwürdige Vorgänge wie die Verträge des Elektro-Riesen Samsung mit IOC-Mitgliedern. Korruption und der Hang zu Gefälligkeiten waren offenkundig jahrelang systemimmanent, und es ist erschreckend, dass von der IOC-Spitze hier nicht mehr kommt zur Aufklärung. Das ist auch etwas, das neben allen anderen Kritikpunkten am IOC und seinem Spiele-Produkt die deutschen Verantwortlichen mehr im Blick haben müssten, wenn dieser Tage von der Ruhr bis nach Berlin wieder von Olympia-Bewerbungen die Rede ist.

Aber immerhin, so lässt sich mit ein bisschen Zynismus festhalten, ist schon garantiert, dass es bezüglich der Sommerspiele-Vergaben 2024 (Paris) und 2028 (Los Angeles) niemals Ermittlungen wegen Ungereimtheiten im Umgang mit Wahlmännern geben wird. Denn da fanden ja gar keine Abstimmungen statt, sondern dealte die IOC-Führung um Thomas Bach mit den interessierten Städten alles im Hinterzimmer aus.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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