Kommentar:Obszöne Zockerei

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Inszenierte Rivalität: Phil Mickelson (li.) und Tiger Woods kennen sich seit mehr als 20 Jahren. Nun spielen sie eine Runde Golf. Der Sieger kassiert alles: neun Millionen Dollar. (Foto: Kyle Terada/USA TODAY Sports)

Das Show-Duell mit Tiger Woods und Phil Mickelson wird nach kommerziellsten Regeln aufgezogen und ausgeschlachtet - und genau deshalb schadet es dem Golfsport.

Von Gerald Kleffmann

Sie haben sich voreinander hingestellt und böse angeschaut. Also: Sie haben es versucht. Phil Mickelson, 48, riss die Augen auf und starrte wie ein Krieger. Tiger Woods, 42, versuchte, dem Blick standzuhalten. Aber dann: Brachen sie in Lachen aus. Sie fanden das albern, und das war es auch. Zwei Menschen, die sich seit mehr als 20 Jahren kennen, die hunderte Male die selben Wettkämpfe bestritten hatten und nun, nach langer Rivalität, Freunde geworden sind - diese zwei sollten so tun, als ginge es in ihrem Duell um Leben und Tod?

Gut, ließe sich da erwidern, ist halt Show. Ist Amerika. Stimmt. Und deshalb muss auch erwähnt werden: Bei dem als "The Match: Tiger vs. Phil" titulierten Aufeinandertreffen zwischen Woods und Mickelson, das am Freitag in Las Vegas auf einem edlen Golfplatz im Matchplay-Format ausgetragen wird, geht es um viel Geld. Um neun Millionen Dollar, die allein der Sieger über die 18 gespielten Löcher erhält. Über Nebenwetten für einzelne Löcher kommt wohl noch mal eine Million zusammen, die im Topf liegt. Auch absurd? Absolut. Im Grunde reicht indes eine Erklärung für dieses Prozedere: Willkommen in der Welt des Profigolfs.

Zunächst mal kann man diese private Partie, zu der sich Woods und Mickelson, die Überfiguren des US-Golfs, im Shadow Creek Golf Course verabredete haben und die nach höchsten kommerziellen Strategien ausgeschlachtet wird, aber in Schutz nehmen. Wenn der Markt eine solche Umverteilung von Vermögenswerten hergibt, ist das eben so. Strafbar ist es nicht. Ohnehin sind die Summen, die über Sponsoren, Fernsehrechte und Pay-TV-Gebühren offenbar gedeckt werden, weit entfernt von den Sphären, die im Boxen erreicht wurden. 2015 mussten Fans um die 100 Dollar hinlegen, um Floyd Mayweather jr. gegen Manny Pacquiao im Ring zappeln zu sehen. Der Amerikaner kassierte mehr als 200 Millionen Dollar. Um die mehrmaligen Majorsieger im Golf nun zu bestaunen (Woods 14 Titel, Mickelson fünf), reichen 20 Dollar (oder 15 Euro beim deutschen Sender Sky). Und das Besondere: Eine ähnliche Veranstaltung gab es noch nie im Golf. Als "ein Experiment" bezeichnete es vielsagend ein beteiligter TV-Manager. Seine Maßstäbe, nach denen er Erfolg und Misserfolg unterteilt, dürften wohl aber eher harte Faktoren wie rote/schwarze Zahlen, Quoten und Reichweite sein. Unberücksichtigt bleibt ein weicher Faktor - ob sich der Golfsport in diesen Zeiten, zumal in den USA, damit einen Gefallen tut. Oder nicht doch Klischees bedient. Etwa die oft nicht von der Hand zu weisende Behauptung, diese Branche lebe in ihrer eigenen elitären Welt und habe oft jede Relation zum normalen Leben verloren.

Sportliche Relevanz besitzt Tiger vs Phil jedenfalls keine, ihre Kabbeleien erinnern umso mehr an altbackene Kalauer vor Monatsbecher-Turnieren, wenn der Sieger den Einsatz der Klubkollegen behalten darf. Mit dem Unterschied, dass Mickelson nun sagen konnte: Ich spiele ein Birdie an Bahn eins, ich setze 100 000 Dollar! - Woods erwiderte: Ich verdopple! 200 000 Dollar nur für drei oder vier Schläge: Das mag lustig für die zwei sein und spektakulär wirken. Bedenkt man aber nur, dass nicht so weit weg von der Wüstenstadt Las Vegas gerade erst eine Feuertragödie stattfand, viele Menschen bei den Bränden in Kalifornien starben und Zehntausende ihr Zuhause verloren, mutet diese Zockerei um Scheine obszön an. In den Fußnoten der Veranstaltung haben die Manager von Woods und Mickelson zwar hinterhergeschoben, Teile der Einnahmen gingen an Stiftungen - natürlich aber, man ahnte es, an jene, die den beiden gehören. Selbstlos ist die gesamte Geschichte sicher nicht. Fans übrigens dürfen das Duell nicht begleiten. Nur TV-Leute, Hilfskräfte, Sponsoren und Vip-Gäste sind auf der Anlage erlaubt.

In seiner eigenen Blase, das fällt auf, stößt der Schaukampf auf verhaltenes Interesse. Profikollegen äußerten nur vages Interesse. Bei der staatsmännisch aufgezogenen Pressekonferenz fehlten auch viele Golfreporter. Das gibt Hoffnung. Einer begründete sein Nicht-Erscheinen damit, dass er am Thanksgiving-Wochenende Wichtiges vorhabe. Das klang wie: Ob Woods oder Mickelson, die das ganze Jahr über zu sehen waren, auf ihre Hunderte von Millionen ein paar neue drauf packen, ist egal. Und genau das ist es.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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