Kommentar:Kampf dem Kalmücken

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Seit 1995 regiert Kirsan Iljumschinow als Fide-Präsident. Am Wochenende kündigte er auf der Verbandsseite seinen Rücktritt an, revidierte sich dann wieder: Alles Intrige, sagt er. Mit seinem Tun schadet er dem globalen Schachsport.

Von Johannes Aumüller

Unter der Führung von Kirsan Iljumschinow hat der Welt-Schachverband eine irritierende Fähigkeit zu Befremdlichkeiten aller Art entwickelt, aber die Geschehnisse zu Wochenbeginn waren selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich. Zunächst tauchte auf der Internetseite der Fide eine Mitteilung auf, nach der Iljumschinow seinen Rücktritt ankündigte. Doch nur wenige Stunden später erzählte dieser Iljumschinow russischen Medien, dass die Sache mit dem Rücktritt ein völliger Quatsch sei. Sondern eine Intrige, eine Provokation, eine Falle, gesteuert aus den USA. Er bleibe im Amt.

Machtkämpfe sind in der Sportpolitik nichts Ungewöhnliches. Dass sie sich so offenbaren, aber schon. Zeit für einen Wechsel an der Fide-Spitze wäre schon lange. Seit Beginn seiner Präsidentschaft anno 1995 ist Iljumschinow, 54, umstritten. Und zweifellos hemmt der Mann aus der südrussischen Teilrepublik Kalmückien mit seinem Tun die Entwicklung des globalen Schachsports. Die Geschichte, wie er mal von Aliens entführt worden sei, und ähnliche Schoten erzeugen nebst Irritationen immerhin noch ein Schmunzeln. Bei intransparenten Geschäften rund um die Fide sieht das schon anders aus. Besonders gravierend ist die Tatsache, dass Iljumschinow seit gut einem Jahr auf der Sanktionsliste der USA steht. Bei einem solchen Mann an der Spitze ist es kein Wunder, dass etwa die Sponsorensuche schwierig abläuft - und ist es nachvollziehbar, dass eine Gruppe unter offenkundiger Führung des Griechen Georgios Makropoulos, bisher zweitmächtigster Mann der Fide, auf ein Umsteuern drängt.

Allein: Die Schachszene ist selbst schuld an der Situation, darunter auch manch einer, der jetzt jammert. Sie hat Iljumschinow seit mehr als 20 Jahren wieder und wieder ins Amt gehoben, obwohl es personelle Alternativen gab. Und es ist nicht so, als ließe sich dieser Umstand allein auf einen anrüchigen Stimmenfang unter den Vertretern von Schach-Entwicklungsländern schieben. Auch aus Europa war Iljumschinow Unterstützung stets gewiss.

Von daher wissen seine neuen Gegner auch bestens, wie sich der Kalmücke an die Macht zu klammern vermag. Für Mitte April ist nun eine Sondersitzung des Fide-Vorstandes angesetzt worden. Es scheint jedoch derzeit kaum vorstellbar zu sein, dass irgendjemand Iljumschinow zum Rücktritt bewegen kann. Und die nächste reguläre Wahl ist erst fürs kommende Jahr geplant.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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