Kommentar:Im Park statt in New York

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Unmöglich in Corona-Zeiten: Marathonläufer auf der Verrazzano-Narrows-Bridge in New York. (Foto: Corey Sipkin/Imago)

Es wird gelaufen wie wohl noch nie zuvor - in der Marathonwelt wird der Boom jedoch frühestens 2021 ankommen.

Von Claudio Catuogno

Es ist jetzt nicht so, dass man Gesa Felicitas Krause, der WM-Dritten über 3000 Meter Hindernis, das Laufen verboten hat. "Krause darf nicht laufen - und läuft Sturm", hatte kürzlich zwar der Sportinformationsdienst in schönster Bewegungspoesie getickert, aber beides, das Laufverbot und der Ärger darüber, bezog sich explizit auf die Pläne des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, bei seinen Corona-kompatiblen deutschen Meisterschaften im August in Braunschweig die Wettbewerbe jenseits der 1500 Meter wegzulassen. Wegen befürchteter Pulkbildung auf der Bahn.

Für eine Berufsläuferin wie Krause ist das ein harter Schlag, und in der Tat kann man ja die Frage stellen, ob man das nicht noch hinbekommen könnte: 15 Athleten pro Disziplin, nachweislich virusfrei, einen Start zu ermöglichen. Altmeister Dieter Baumann, 55, schimpfte, dann zahle halt er die Kosten für die paar Coronatests am Vorabend. Ein bisschen Resthoffnung haben die Läufer jedenfalls noch.

Aber unabhängig von den Titelkämpfen: Es darf weiter gelaufen werden, und es wird gelaufen. Parks, Uferpromenaden und Waldwege sind gut bevölkert, der Absatz von Laufschuhen floriert, und wer weiß: Vielleicht melden sich bald viele Lauf-Debütanten erstmals bei den Volksläufen und City-Marathons an? Ein neuer Laufboom als Kollateralnutzen von Kontaktverbot, Homeoffice und Kurzarbeit? Gut möglich. Aber erst 2021.

Denn auch die meisten Volksläufe fallen 2020 aus: Binnen einer Woche haben nun die Marathons in Berlin und New York vor der Pandemie kapituliert. In New York wäre es die 50. Auflage gewesen. In der bewegten Berliner Stadtgeschichte hat es seit 1974 überhaupt noch nichts geschafft, den örtlichen Marathon lahmzulegen, der mit zuletzt 47 000 Startern der größte des Landes ist. Fast die ganze Saison ist gecancelt. Nur Hamburg hofft noch, aber so recht daran glauben kann man nicht, dass sich dort im September Zehntausende ihren heißen Atem gegenseitig in den Nacken blasen.

Doch so sehr man auch über abgespeckte Konzepte nachdenkt: Die Symbiose aus Weltklasse an der Spitze und dem bunten Meer der Freizeitläufer dahinter funktioniert eben nur als Gesamtkunstwerk. Man braucht die Startgelder der Hobbyläufer, um die Antrittsgagen für die Elite zu bezahlen, und man braucht den Charakter der Massenbewegung, um ganze Metropolen abzusperren.

Bleiben gerade also nur Parks, Promenaden und Waldwege. Oder ganz andere Ideen. Zusammen mit Schwimm-Weltmeisterin Sarah Köhler und Tour-de-France-Fahrer John Degenkolb bestreitet Gesa Krause am Sonntag in Frankfurt einen Promi-Triathlon. Köhler wird schwimmen, Degenkolb Rad fahren, Krause wird laufen. Schön, wenn auch in diesen Zeiten jedem das ermöglicht wird, was er oder sie am besten kann.

© SZ vom 26.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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