Kommentar:Im Namen des Egos

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Sandro Wagner beklagt sich über seine Nicht-Nominierung für die WM. Ihm ist das Ego wichtiger als das Team. Trainer Löw hat also völlig richtig entschieden.

Von Josef Kelnberger

Sandro ist beleidigt und mag nicht mehr mitspielen. Das klingt nach Schlagzeilen aus dem Sandkasten, nach Kindergarten. Nichts, was die Welt bewegen sollte. Aber seit Mesut Özil und Ilkay Gündogan dem türkischen Autokraten Erdoğan Wahlkampfhilfe gewährt haben, bewegt auch folgende Nachricht: Stürmer Sandro Wagner vom FC Bayern, 30, acht Länderspiele, erklärt via Bild seinen Rücktritt aus der Nationalelf. Weil er nicht mit zur WM darf. Man fragt sich: Wie ticken diese Fußballprofis, die doch im weitesten Sinne das Land repräsentieren? Wie viel Sozialkompetenz haben sie? Wie viel Verantwortungsbewusstsein? Es kann einem das Grauen kommen.

Wagner hat fachlich durchaus gute Gründe, die Entscheidung von Joachim Löw anzuzweifeln. Wagner ist groß und stark, hat Wucht, verfügt über ein gutes Kopfballspiel. Mit solchen Typen ist der deutsche Fußball nicht gesegnet. Aber er wäre ohnehin als "Ergänzungsspieler" mitgereist. Und deren Aufgabe ist es vor allem, sich zurückzunehmen, den anderen zu helfen, den Teamgeist zu pflegen. Wenn Wagner nun hinausposaunt, seine Art, "immer offen, ehrlich und direkt Dinge anzusprechen", passe Löw offenbar nicht und er könne dessen Entscheidung nicht ernst nehmen - dann bestätigt er damit: Ihm ist das Ego wichtiger als das Team. Er kann sich nicht zurücknehmen. Löw hat also völlig richtig entschieden.

Wagner, häufig gefeiert als Profi mit Ecken und Kanten, hätte der DFB-Elf einen Dienst erwiesen, wenn er den Mund gehalten hätte. Nun fügt er ihr kurz vor der WM mit öffentlichem Wirbel Schaden zu. Er erhebt indirekt den Vorwurf, Löw könne mit mündigen Spielern nicht umgehen, umgebe sich mit Duckmäusern. Zugute halten mag man Wagner: Der Schaden, den Gündogan und Özil mit ihrer Erdoğan-PR angerichtet haben, ist ungleich größer. Und Löw hat sie zu nachsichtig behandelt. Er musste sie nicht für die WM streichen, aber ein öffentlicher Auftritt, bei dem beide ihre Haltung zu Erdoğan erklären müssten: Das wäre angemessen gewesen, um die "Werte", für die die Nationalelf steht, hoch zu halten.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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