Kommentar:Gegen die Hai-Kultur

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Auch wenn es am Ende vermutlich nichts bringt: Die Leidenschaft, mit der Hamburgs geschasste Eishockey-Erstligisten um ihr Überleben kämpfen, zeigt, wie viel Herz auch in einem künstlich aufgebauten Klub stecken kann.

Von Thomas Hahn

Über die Mentalität von Tiefkühltruhen müsste man sich noch mal genauer unterhalten. Allerdings nicht mit den Freunden des abservierten Eishockey-Klubs Hamburg Freezers, für die nämlich ganz klar ist, welches Haushaltsgerät den größten Kampfgeist besitzt. "Freezers geben niemals auf", lautet ihr Motto im Kampf gegen das fremdbestimmte Ende. In den Gefrierfächern lodert also die Leidenschaft, und es wäre schön, wenn sie damit jene Herren erweichen könnten, die sie sozusagen abgeschaltet haben: die Manager des Freezers-Eigners Anschutz Entertainment Group also, die den Klub in der vergangenen Woche kurzerhand aus dem Portfolio strichen.

Die Chancen dafür stehen schlecht. Wer wissen will, wie eisig ein Frostschrank wirklich ist, der muss sich mit besagten US-Marketendern befassen: Die sitzen in entfernten Etagen, puzzeln sich ein Weltbild aus Bilanzen zusammen und spielen dann Herrgott. Daumen rauf, Daumen runter. Diesmal hat es eben diesen Standort in Germany erwischt, den mancher Anschutz-Hai wahrscheinlich für eine Bulettenfabrik hält. Hämbörg Freezers? Knapp 10 000 Zuschauer pro Spiel? Treue Fan-Basis? Playoffs verpasst? Weg damit.

Dieses Ein- und Absetzen von Profiklubs ist längst übliche Praxis. Gewöhnen sollte man sich trotzdem nicht dran, sonst wird die Sportkultur endgültig beliebig. Insofern ist das ein schönes Zeichen, wie die treuesten Fans sich gerade gegen das Verschwinden ihrer Mannschaft aufbäumen mit Demonstrationen, Flashmobs, Appellen und Spendensammlungen. Allen voran marschiert der Kapitän Christoph Schubert, obwohl der sich als Vollprofi auch umstandslos auf die Suche nach dem nächsten Arbeitgeber machen könnte. Da ist ein Klub offensichtlich wirklich wichtig geworden für ein paar Menschen - auch wenn der erst 2002 auf die Welt kam und davor im Körper der Munich Barons lebte.

Nützen wird es wohl nichts. 210 000 Euro waren bis Montagnachmittag zusammengekommen für die DEL-Lizenz. Das reicht nicht, um bis diesen Dienstag um Mitternacht die nötigen 800 000 Euro aufbringen zu können. Und selbst wenn sich in letzter Minute noch ein Mäzen finden würde - wäre das wirklich ein schönes Leben als künstlich am Leben erhaltener Gefrierschrank vom Fließband der Unterhaltungssport-Industrie?

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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