Kommentar:Europa im Nachteil

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Johannes Aumüller ist sportpolitischer Korrespondent in Frankfurt. (Foto: sz)

Die Aufstockung des WM-Teilnehmerfeldes soll vor allem drei Föderationen zugutekommen: Afrika, Asien sowie Nord- und Mittelamerika.

Von Johannes Aumüller

Europa wird der Verlierer sein, so viel steht schon fest. Die Frage ist nur, wie hoch die Niederlage ausfällt. Neben all den Vorgängen aus den Sumpfgebieten des Weltfußballs dürfte die mächtigsten Funktionäre des Gewerbes in den nächsten Wochen vor allem ein Thema beschäftigen: die künftige Verteilung der WM-Startplätze zwischen den Konföderationen. Von 2026 an steigt die Teilnehmerzahl von 32 auf 48 Länder, und längst haben die Interessensvertreter der einzelnen Erdteil-Verbände das Feilschen begonnen, wie sie vom Aufwuchs möglichst umfänglich profitieren können.

An diesem Donnerstag etwa befasst sich der Vorstand von Europas Fußball-Föderation (Uefa) mit dem Thema. Deren Vertreter positionierten sich bisher auffallend zurückhaltend. "Minimum drei zusätzliche Plätze", das ist die Formel, die zuletzt von ihrem Boss Aleksander Ceferin und anderen Vertretern zu vernehmen war, also 16 statt bisher 13.

Gewiss ist allen beteiligten Funktionären klar, dass die von Fifa-Präsident Gianni Infantino so forcierte, aber aus qualitativer sowie turnierdramaturgischer Sicht problematische Aufstockung des Teilnehmerfeldes vor allem drei Föderationen zugutekommen soll: Afrika, Asien sowie Nord- und Mittelamerika. Aus diesen Verbänden kommen bei Präsidentschaftswahlen traditionell die entscheidenden Stimmen, das weiß Infantino nur zu gut. Aber dennoch verblüfft es, wenn Europas Vertreter nicht forscher ihre Ansprüche formulieren.

Europa ist nun mal der unbestrittene Kernmarkt im Kickerkosmos, inklusive der höchsten Dichte an guten Nationalteams. In der Fifa-Weltrangliste, bei der es sich nun wahrlich nicht um der Weisheit letzter Schluss, aber doch um eine Art Richtschnur handelt, befinden sich unter den besten 48 Nationen aktuell 27 europäische. Und wer den bisherigen prozentualen Anteil europäischer Mannschaften an einer WM einfach hochrechnet, kommt fürs künftige Mammut-Turnier auf eine Zahl von 19 bis 20.

Es wäre also alles bereitet für einen ordentlichen Konflikt der Europäer mit dem Weltverband. So wie es das unter der langjährigen Fifa-Regentschaft von Sepp Blatter des Öfteren gab. Aber es ist fraglich, ob es auch unter der gegenwärtigen Personalkonstellation dazu kommt. Denn nach der gängigen Lesart war Fifa-Chef Infantino nicht unmaßgeblich daran beteiligt, dass sich der damals unbekannte und zugleich mächtig umstrittene Slowene Ceferin bei der Wahl vor einem halben Jahr gegen seinen geschätzten niederländischen Rivalen Michael van Praag durchsetzen konnte. Insofern darf Ceferins Verhalten bei der Startplatz-Verteilung gleich als Lackmustest für die nächsten Jahre gelten. Ob er jemand ist, der für die Interessen Europas kämpft - oder ob er sich mehr oder weniger widerstandslos dem Diktat Infantinos beugt.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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