Kommentar:Deutsches Reformpaket

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Die griechische Nationalelf ist eines jener Projekte, für die sich bei einer Privatisierung schwerlich ein Käufer fände. Aber man kann sie ja immer noch von einem Deutschen trainieren lassen! Also wurde jetzt Michael Skibbe geholt.

Von Claudio Catuogno

Wenn man das Reformpaket richtig verstanden hat, das die EU Griechenland im Gegenzug für Finanzhilfen abverlangt, geht es darum, die profitablen Teile der griechischen Staatswirtschaft zu privatisieren und an deutsche Firmen zu verkaufen. Die Regionalflughäfen auf Rhodos, Korfu oder Mykonos sollen die Griechen etwa nicht mehr selbst betreiben, sondern die deutsche Fraport AG. Guter Plan. Bloß vielleicht nicht unbedingt für die Griechen.

Eindeutig nicht mehr zu den profitablen Teilen der griechischen Staatswirtschaft zählt die Fußball-Nationalelf des Landes. Nur ein Sieg kürzlich in der EM-Qualifikationsgruppe F, die am Ende wer gewann? Nordirland! Die griechische Nationalelf ist also eines jener Projekte, für die sich bei einer Privatisierung schwerlich ein Käufer fände. Aber man kann sie ja immer noch von einem Deutschen trainieren lassen! Und das tun die Griechen jetzt auch. Am Donnerstag vermeldeten sie die Verpflichtung von Michael Skibbe, 50, als neuen Nationalcoach.

Skibbe? In Deutschland erinnert man sich da an ein skurriles Kurz-Engagement bei Hertha BSC im Winter 2011/12. Skibbe übernahm die Berliner auf Rang elf und musste sie nur 50 Tage später, auf Rang 15, seinem Nachfolger übergeben, der - Hellas! - wie hieß? Genau: Otto Rehhagel! Der führte die Hertha dann mit Grandezza und Goethe in die zweite Liga. Fünf Spiele, null Punkte, in Deutschland hat diese Episode den Ruf von Michael Skibbe etwa auf eine Stufe mit griechischen Staatsanleihen gedrückt. Die Griechen haben hingegen andere Schlüsse gezogen. Wenn doch die Hertha unter Skibbe sogar besser dastand als unter Rehhagel: Was hieße das für Griechenland?

Mit Rehhagel gewannen die Griechen den EM-Titel 2004, und selbst wenn sie dabei mehr Beton anrührten, als auf sämtlichen griechischen Regionalflughäfen verbaut ist: Ihre Liebe zu "Rehhakles" ist seitdem ungetrübt. Man will Michael Skibbe ja nicht zu nahe treten, aber man muss vermuten: Hinter der Verpflichtung eines deutschen Nationaltrainers steckt auch ein bisschen Sehnsucht nach den guten alten griechischen Fußballzeiten.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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