Kommentar:Der richtige Einfluss

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Wer die Interessen des deutschen Fußballs in der Fifa und Uefa wahren will, muss in die Hinterzimmer der Mächtigen - das ist gefährlich.

Von Thomas Kistner

Großer Jubel Ende September 2018: Das Fernsehen übertrug live, als Uefa-Präsident Aleksander Ceferin den Zettel mit der Aufschrift "Germany" aus dem Kuvert zog. Die Europäische Fußball-Union hatte die EM 2024 an Deutschland vergeben, mit 12:4 Stimmen! Ein überwältigendes Votum gegen die Türkei; DFB-Chef Reinhard Grindel durfte sich damals auf offener Bühne für ein "unglaubliches Vertrauen" bedanken.

Eine EM ist das zweitwichtigste, spielerisch anspruchsvollste Turnier im Weltfußball, nur die WM lässt sich höher platzieren. Aber Fußball-Weltmeisterschaften hatte Deutschland ja gerade erst ausgerichtet, 2006 für die Männer und 2011 für die Frauen. Fast möchte man denken, es liefe ziemlich rund für Schwarzrotgold in der internationalen Sportpolitik.

Tut es nicht, aus Sicht von Christian Seifert. Der Chef der Deutschen Fußball Liga trug jetzt eine ganz andere Auffassung zum internationalen Wirken deutscher Funktionären vor: "Ich halte diese Ämter für überschätzt. Internationale Arbeit ist nicht, in den Gremien zu sein und mal für oder gegen etwas zu stimmen. Sondern in der Lage zu sein, Allianzen und Netzwerke aufzubauen. Und hier hat der DFB in den vergangenen Jahren signifikant an Einfluss verloren." Angesichts der Ausbeute an Events von globaler gesellschaftlicher Relevanz fällt es nicht leicht, diesen Vorwurf einzuordnen. Zielt er auf Grindel?

Klar, der verlor alle Ämter, auch in den Vorständen von Uefa und Weltverband Fifa, wegen seiner Uhren-Affäre. Und national fiel er nie als begnadeter Verbandslenker auf. Aber international hatte er Profil erlangt: als harter Widersacher des Fifa-Bosses Gianni Infantino, als Gegenpart zu einem Funktionär, den Affären umtosen. Grindel vertrat klar die Position Europas, das unter Uefa-Chef Ceferin eine zunehmend resistentere Interessensallianz gegen Infantinos Ausverkaufs- und Allmachtsansprüche im Weltfußball bildet: 2018 wollte Infantino fast alle Fifa-Rechte an einen arabischen Investorenstab verhökern, vorbei am eigenen Vorstand. Und seit August wird der Afrika-Verband Caf von Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura regiert. Mal eben so, ohne Regelbasis. Beobachtern ist klar, dass dieses hochproblematische Konstrukt dem Zweck dient, den im Sumpf aus substantiellen Korruptionsvorwürfen rudernden Caf-Boss Ahmad Ahmad abzuschirmen. Ihm haben Infantino und Samoura viel zu verdanken.

An Grindels statt ging Interimschef Rainer Koch auf Fühlung mit Fifa und Uefa; er sieht sich lieber als Versöhner. Der Erfolg ist überschaubar; die Deutschen lernen nun, dass der Zwist zwischen Fifa und Uefa an den Grundfesten rührt und nicht mit bravem Wortgeklingel zu beheben ist.

Und ein Netzwerken abseits internationaler Gremien fällt schwer, wenn man weder Sitz, Votum noch etwas zum Verhandeln hat. Bliebe der stille Alleingang. Aber der führt naturgemäß ins Hinterzimmer Infantinos. So wie jüngst, als einige europäische Topklubs in Sachen Klub-WM die Position ihrer eigene Allianz sabotierten.

Alle Wege in die Fifa laufen über die Uefa. Und dort könnte Koch bald landen: ein Strafrichter, der dann unbedingt bei seinem Münchner Amtskollegen Hans Joachim Eckert ein klares Bild zur Geschäftskultur im Weltfußball einholen sollte. Eckert hatte in der Fifa als Ethikrichter aufgeräumt; dabei kam er unweigerlich Infantino und dessen unsäglichem Sportkamerad Ahmad zu nahe. Konsequenz: Über Nacht war er den Job los. Rechtsstaatliche Prozedere, betonen namhafte internationale Juristen, seien für diese Fifa eher eine Bedrohung. Für deutsche Funktionäre muss das der zentrale Blickwinkel sein.

© SZ vom 23.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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