Kommentar:Der falsche Spitzenmann

Lesezeit: 1 min

Der deutsche Sport des Jahres 2018 braucht eine Persönlichkeit, die bei brisanten Themen klar Stellung bezieht. Jemanden, der wichtige gesellschaftspolitische Debatten bereichern kann. Insofern ist es keine gute Nachricht, wenn Alfons Hörmann der Chef bleibt.

Von Johannes Aumüller

Die eine Erkenntnis dieser sportpolitisch brisanten Tage lautet: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Alfons Hörmann auch nach der nächsten Mitgliederversammlung der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sein wird. Aber die andere Erkenntnis lautet: Es ist für den deutschen Sport keine gute Nachricht, wenn Hörmann tatsächlich sein oberster Vertreter bleibt.

Seit 2013 steht der Allgäuer an der Spitze, und die Mängelliste seither ist in vielen Bereichen immens. Er akzeptierte einen aus seiner beruflichen Tätigkeit resultierenden Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes gegen das Kartellrecht, also gegen den Wettbewerbsgedanken, das zentrale Gut des Sports. Nach dem gescheiterten Referendum für eine Olympia-Bewerbung Hamburgs zeigte er sich als schlechter Verlierer, und wenn es um das Thema Doping geht, gibt es teils irritierende Stellungnahmen. Seine Arbeit ist viel zu sehr auf die umstrittene Leistungssportreform und den Kampf um höhere finanzielle Zuwendungen vom Bund fixiert. In vielen anderen Bereichen, etwa gesellschaftspolitisch, ist der DOSB nahezu nicht existent.

Aber es ist insbesondere sein Auftreten, das viele verstört. Hörmann zu widersprechen oder ihn gar hart zu kritisieren, kann mitunter heftige Folgen haben. In vielen Situationen zerschlug er Porzellan, und des Öfteren färbt er sich die Wirklichkeit schön. Das letzte von allerhand Beispielen dazu lieferte er am Dienstag, als klar war, dass die sportinterne Opposition vorerst keinen aussichtsreichen Kandidaten gegen ihn aufbieten würde und die Spitzenverbände ihre Unterstützung für eine weitere Amtszeit zusagten. "Ich kann nach einem so einstimmigen Votum keinen Riss erkennen. Er existiert schlichtweg nicht", sagte Hörmann.

Der deutsche Sport des Jahres 2018 bräuchte an seiner Spitze eine andere Persönlichkeit. Er bräuchte jemanden, der besser führt, integriert und moderiert. Jemanden, der bei brisanten sportpolitischen Themen klar Stellung bezieht und wichtige gesellschaftspolitische Debatten bereichert. Aber es gilt auch: Wenn Hörmann sich mit und trotz seiner Art durchsetzt, wenn er wiedergewählt wird und die Opposition keinen geeigneten Widersacher präsentiert, dann hat der deutsche Sport einfach den Präsidenten, den er verdient - und den er offenkundig will.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: