Kommentar:Bruch in der Familie

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Olympia steckt im Zwiespalt: Es gibt die armen Athleten, die gern dabei sein möchten, aber nicht dürfen - und es gibt die Großverdiener, die könnten, aber nicht wollen.

Von Johannes Knuth

Rory McIlroy wurde mit warmem Applaus empfangen. Gerade hatte der Weltranglisten-Vierte seine erste Runde bei den British Open beendet, er hatte sich zunächst in die Nachbarschaft der Führenden geschoben, scheinbar unbeeindruckt vom Wirbel der vergangenen Tage. Zuvor hatte McIlroy das olympische Golfturnier, das erste seit 112 Jahren, mal eben als "belanglos" klassifiziert. Er werde sich Olympia im Fernsehen anschauen, sagte der Nordire, aber nur "Leichtathletik, Schwimmen, Wasserspringen - Dinge, die eine Rolle spielen". Ein Orkan der Entrüstung fegte über ihn hinweg, der Hockeyspieler Moritz Fürste beschimpfte ihn als "Idiot". McIlroy winkte die Aufregung lässig durch. Er spiele nun einmal Golf, um bedeutende Turniere zu gewinnen, sagte er am Donnerstag nach seiner Auftaktrunde, nicht um seinen Sport bei Olympia zu bewerben.

Die Golfer klingen wie Enkel, die keine Lust auf Omas runden Geburtstag haben

Die olympische Bewegung mit ihrem deutschen Präsidenten Thomas Bach steckt in diesen Tagen mächtig in der Zange, drei Wochen vor der Sause in Rio. Zum einen wegen des Staatsdopings in Russland und den Turbulenzen beim Gastgeber. Zum anderen wegen der Wortmeldungen auf den Golfplätzen. Olympia will ja alle vier Jahre die wichtigsten Sportler und Sportarten versammeln, zur großen Familienfete, so sehen das zumindest die Olympiamacher. Tatsächlich sieht man gerade, wie zerstritten diese Familie ist. Während diejenigen, die nicht mitmachen dürfen, ihr Startrecht einklagen (Speerwerferin Katharina Molitor zum Beispiel), bleiben diejenigen fern, die mitmachen dürften. Bei den Fußballern mussten die deutschen Betreuer wohl ein halbes Monatsgehalt vertelefonieren, ehe sie am Freitag ihr Aufgebot verkünden konnten. Die Bundesliga-Klubs bereiten sich halt lieber auf die neue Saison vor. Bei den Golfern haben sich sieben der zehn weltbesten Männer entschuldigt, angeblich fürchten sie die Zika-Mücke. Sie klangen oft wie Enkelkinder, die Ausreden für den runden Geburtstag ihrer Großmutter suchen.

Als das Internationale Olympische Komitee vor sieben Jahren die Golfer einlud, war die Absicht klar: Dieser Sport hatte über Jahrzehnte Geld, Sponsoren und Aufmerksamkeit angehäuft, schöne Waren, die viele Sportarten im olympischen Programm nicht oder nicht mehr mitbringen. Aber die Golfprofis kreisen eben längst in ihrer eigenen Stratosphäre, mit vier Major-Turnieren im Jahr, vier kleinen Sommerspielen in einer Saison. Es überrascht kaum, dass dieser Sport keine große Lust auf die olympische Verwandtschaft hat. Und dass nicht nur das olympische Golfturnier ein Zerrbild abgibt, sondern weniger bekannte Sportarten verstimmt sind, die vor sieben Jahren in die Familie aufgenommen werden wollten.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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