Kommentar:Bach liefert

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Olympische Spiele im Wüstenstaat Katar? Alles, was der IOC-Präsident derzeit so vorschlägt, hört sich seltsam an. Als ob Thomas Bach jetzt seinen Teil einer Abmachung erfüllen muss, durch die er einst auf den Thron des Weltsports kam.

Von Claudio Catuogno

Ende Oktober starb der 29 Jahre alte Anil Kumar Pasman auf dem Gelände des Al-Wakrah-Stadions südlich von Doha. Ein Arbeiter aus Nepal, überfahren von einem Tanklastwagen. Der erste Tote auf einer der offiziellen Stadionbaustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. "Diese Tragödie dient als Erinnerung, dass immer noch mehr für die Sicherheit getan werden kann", kommentierte Hassan Al-Thawadi das Unglück, der Generalsekretär des WM-Organisationskomitees: "Wir werden aus dem tragischen Ereignis lernen, um eine Wiederholung zu verhindern."

Wieso kommt einem das jetzt zynisch vor? Vielleicht, weil laut internationalen Beobachtern außerhalb der Stadionbaustellen, beim Bau der WM-Infrastruktur, alle paar Tage ein Arbeiter stirbt - 4000 Tote bis zum Anpfiff, lautet eine Hochrechnung von Menschenrechtsgruppen. Und selbst wenn die Zahl übertrieben sein sollte: Das Emirat Katar ist längst zum Symbol dafür geworden, dass es halt mehr braucht als bloß Ambitionen und Öldollars, um so ein Weltsportereignis wenigstens halbwegs im Einklang mit jenen Werten auszurichten, die der Sport für sich in Anspruch nimmt.

Es kommen ja noch ein paar schlechte Nachrichten dazu. Die Staatsanwaltschaft in Paris untersucht die Vergabe der Leichtathletik-WM 2019 nach Doha. Die Schweizer Bundesanwaltschaft und das FBI spüren der Frage nach, unter welchen Umständen die Fußball-WM 2022 an das Emirat ging. Und nun kam auch noch die Meldung, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada dem Labor in Doha vorerst die Akkreditierung entzogen hat, weil es den notwendigen Standards nicht genügt.

Mal angenommen, man wollte jetzt etwas wirklich Verrücktes vorschlagen, etwas, wofür man fast überall auf der Welt Kopfschütteln ernten würde - was müsste das sein? Am besten wohl dies: dass man Katar doch auch zum Olympia-Ausrichter küren könnte.

Thomas Bach hat das soeben gesagt. Doha werde "eines Tages Kandidat sein". Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees schiebt Katar auf die Bühne - in Zeiten wie diesen, in denen seine olympische Bewegung ohnehin einen dramatischen Glaubwürdigkeits-Verlust erlebt. Warum?

Es lohnt sich, noch mal jenen Satz in Erinnerung zu rufen, den der kuwaitische Scheich Ahmad Al-Sabah - ein berüchtigter Strippenzieher und vor allem Stimmenbeschaffer - kurz vor Bachs Wahl 2013 in einem ARD-Interview gesagt hat: Der Inthronisierung des Deutschen liege eine zwölf Jahre zuvor getroffene Abmachung zugrunde, und Bach wisse natürlich, dass es Bedingungen gebe, die er jetzt "erfüllen" müsse.

Fast bedingungslose Unterstützung Russlands in der Staatsdoping-Affäre. Rückendeckung für Katar. Vieles, womit der IOC-Chef sein Publikum irritiert, wirkt genau so: als würde Bach jetzt seinen Teil einer Abmachung erfüllen.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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