Es gibt eine sadistische Grundtendenz bei Sportfans: Wenn sich Jan Ullrich bei der Tour der France über die Berge quält, sich Marathonläufer nach 42 Kilometern über die Ziellinie schleppen oder Schwimmer nach unendlicher Zeit im Wasser endlich an der Bande anschlagen. Dann entwickelt sich beim Fernsehzuschauer eine Mischung aus Mitgefühl und Freude: Mensch, schon unglaublich, wie sich diese Typen quälen können. Aber Gott sei Dank bin ich gerade auf der Couch und genieße mein Frühstück. Und muss jetzt nicht einen Berg der ersten Kategorie hoch. Darauf noch einen Extra-Löffel Marmelade.
Vielleicht fasziniert uns deshalb Langlaufen, die Quälsportart des Winters. 50 Kilometer bei eisiger Kälte durchhalten, Berge hochfahren, auf waghalsigen Abfahrten mit den dürren Skiern sich fast den Hals brechen. Noch dazu meistens früh am Morgen. Da muss beim Zusehen das Frühstücksbrötchen doch gleich besser schmecken.
Doch das bleibt im Hals stecken, wenn die Teilnehmer am Olympischen Wettlauf über den Bildschirm jagen. Da läuft der Rotz in Strömen wie früher Wein im Römerland. Literweise, ohne Pause. Doch das Zeug tropft nicht wie erwartet auf den Boden, was eklig genug wäre. Nein, die Temperaturen sorgen dafür, dass die kunterbunte Glitschigkeit im Gesicht kleben bleibt. An den Wangen, an der Nase, am Mund. Überall der farbenfrohe Schleim.
Es gibt keinen Ausweg: Bei jeder Großeinstellung prangt der Quell aller Grippebazillen auf dem Bildschirm. Bei Männern und Frauen. Der Fan möchte bei den einzelnen Sportarten ästhetische Bewegungen sehen: weite Sprünge, traumhafte Pirouetten, sanftes Gleiten. Aber keinen Glibber im Gesicht!
Keine Frage: Langläufer sind unglaubliche Sportler, deren Leistung ist nicht hoch genug einzuschätzen ist. Chapeau an alle Teilnehmer. Aber zusehen kann man dennoch nicht. Erst bei der Siegerehrung.