Köln verliert rheinisches Duell:Schweizer Derby-Sieg

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Denis Zakaria (links) und Matthias Ginter (rechts) haben schon ihren Abschied aus Mönchengladbach angekündigt - wer wird folgen? (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Borussia Mönchengladbach gewinnt das Derby beim Lieblingsgegner. In der ersten Halbzeit tritt ein Klassenunterschied zutage - aber die mangelnde Effektivität kostet Gladbach fast noch den Erfolg.

Von Milan Pavlovic, Köln

Gut eine Woche lang wiederholte der neue FC-Trainer Achim Beierlorzer kühle Sätze, um das Derby-Fieber in Köln wenigstens ein bisschen zu senken. Das klang dann so: "Wir dürfen im Derbywahn nichts tun, das uns nicht weiterbringt." Oder so: "Vielleicht ist es ganz gut, wenn man die Derby-Erfahrung nicht hat. Wir müssen uns mehr mit dem Gegner und unseren Stärken als mit dem Derby beschäftigen." Von den Stärken war dann im 89. Liga-Duell der rheinischen Erzrivalen lange Zeit nichts zu sehen, und als die Verzweiflung doch noch zu guten Chancen führte, reichte es nicht, um das 0:1 (0:1) zu verhindern.

Der Franke Beierlorzer, der ebenso wenig Derby-Erfahrung mitbrachte wie sein in Leipzig groß gewordener Gegenüber Marco Rose, hatte außerdem gefordert: "Wir dürfen uns nicht verwirren lassen." Eben das ging aber sehr bald schief. In der Kölner Formation herrschte Verwirrung, weil die Gastgeber sehr oft falsch standen - oder einfach nur standen, während die Gladbacher liefen, sich sinnvoll verschoben und spielerische Lösungen suchten und fanden. "Wir haben nicht in die Zweikämpfe gefunden", gab Beierlorzer später zu, "sind oft hinterhergelaufen", deshalb sei die "Niederlage verdient".

Embolo überzeugt erneut auf neuer Position

Schon beim 1:3 am vergangenen Spieltag gegen Leipzig hatten die Borussen sehr ansehnliche erste zwanzig Minuten gezeigt. Und in Köln zahlte sich rasch aus, dass der neue Trainer Rose auf die ewige Gladbacher Mittelfeldfrage (Ein Sechser? Zwei Sechser?) eine andere Antwort gab: drei Sechser. Während Christoph Kramer, der Weltmeister von 2014, mit hartem Einsteigen Ehrfurcht erzeugte und Florian Neuhaus ähnlich humorlos abräumte, sortierte Denis Zakaria die Offensivaktionen mit einer chirurgischen Präzision.

Dass der Schweizer das kann, ist nicht überraschend. Wesentlich verblüffender ist die Wandlung seines Landsmanns Breel Embolo. Bei Schalke 04 jahrelang eine derartige Enttäuschung, dass ihn besonders böse Zungen in Ebola umtauften, spielt er bei Gladbach auf einer neuen Position (wahlweise auf der zehn oder der acht) - mit großem Radius und enormem Drang zum Tor. So auch in der 14. Minute, als er den Kölner Ellyes Skhiri kurz hinter der Mittellinie abschüttelte wie ein lästiges Kind. Der Pass in den Strafraum zwang den Kölner Rechtsverteidiger Kingsley Ehizibue zu einer riskanten Rettungsaktion, die schiefging: Der Ball kam als maßgerechte Torvorlage zum emsigen Brecher Alassane Pléa, der aus zehn Metern routiniert verwandelte.

Anschließend hatte man das Gefühl, einem Pokalspiel beizuwohnen, bei dem ein Klassenunterschied zutage tritt. Köln fiel offensiv nichts Besseres ein, als lange Bälle auf Anthony Modeste zu schlagen, dessen Kopfballablagen keinen Abnehmer fanden. Die Borussia dominierte nach Belieben. Das erinnerte phasenweise an Spiele aus den 1970ern und 1980ern, als die Gladbacher bei ihrem Lieblingsgegner in schmerzhafter Regelmäßigkeit drei bis vier Tore erzielten und dem FC einmal sogar eine 3:0-Halbzeitführung nicht zum Sieg langte (4:4 im Oktober 1979). Der Borussia 2019 mangelt es allerdings an Kaltschnäuzigkeit, weshalb es zur Pause nur 1:0 stand (Embolo: "Wir sind locker und leichtfertig mit den Chancen vorne umgegangen") und Trainer Rose sagen konnte: "Bei allem Lob für Breel wissen wir genau, dass er noch besser spielen kann. Und Spiele wie diese, in denen uns die Effektivität fehlt, wird es immer geben." Darüber müsse man dann reden, "das ist doch auch ganz schön".

Zwölf Menschen durch einen Böller verletzt

Nicht so schön war aus Gladbacher Sicht, dass der Sieg deshalb nach der Halbzeit mehrmals in Gefahr geriet. "Da haben wir aufgehört, den Ball laufen zu lassen", analysierte Christoph Kramer. Man habe "die Räume, die uns die Kölner geboten haben, nicht genutzt", sondern im Gegenteil "planlos und hektisch" agiert. "wir haben es unnötig spannend gemacht", klagte Rechtsverteidiger Stefan Lainer. Wie es die ungeschriebenen Gesetze des Fußballs verlangen, übernahm ein eingewechselter Derby-Held die Hauptrolle: Simon Terodde, der das vorangegangene Duell im Januar 2018 in der 95. Minute für Köln entschieden hatte, erspielte sich in Mittelstürmermanier zwei Großchancen (80. und 88.) und legte nur Sekunden später die größte FC-Gelegenheit für Jhon Cordoba auf. Doch das Happy-End für Köln blieb aus, weil Gästetorwart Yann Sommer - ein Schweizer, natürlich - blitzschnell zur Stelle war.

Und auch der Traum von einem friedlichen Derby erfüllte sich nicht. Denn kurz vor dem Ende der Partie zündete ein Hooligan einen Böller, dessen Krach selbst hundert Meter weiter die Ohren zittern ließ. Zwölf Menschen - farunter vor allem Fotografen, die direkt neben dem Spielfeldrand saßen, mussten ärztlich behandelt werden. Ein dringend der Tat Verdächtigter wurde festgenommen. Videoaufnahmen hätten ihn als den Werfer identifiziert, hieß es. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

© SZ vom 15.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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