Kiefer sagt Start in Wimbledon ab:"Zum Verrücktwerden"

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Der medizinische Stab der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat derzeit jede Menge zu tun mit den wichtigsten Waden, Ellbogen und Muskeln der Nation. Aber einen prominenten Privatpatienten haben sie doch immer mal wieder dazwischen schieben können: den Tennisprofi Nicolas Kiefer und sein lädiertes linkes Handgelenk.

Claudio Catuogno

Der Tag des WM-Finales ist in diesem Jahr auch der Tag des Wimbledon-Finales, da kann es nicht schaden, den derzeit besten deutschen Tennisspieler in ebenso sensationeller Behandlung zu wissen wie die besten deutschen Fußballer. Doch im Fall von Nicolas Kiefer haben all die Mühen nichts genutzt: Am Mittwochabend gab der 28-Jährige Hannoveraner seinen Verzicht auf das wichtigste Rasenturnier der Welt bekannt, das am kommenden Montag in London beginnt.

Kiefer war in Wimbledon an Nummer 18 gesetzt. Im vergangenen Jahr war er dort in der dritten Runde am späteren Sieger Roger Federer gescheitert.

"Das tut richtig weh", schreibt er auf seiner Homepage, "ich bin total enttäuscht und niedergeschlagen. Ich hatte mir in diesem Jahr so viel vorgenommen und nun ist das ein dicker Strich durch die gesamte Rechnung." Die Saison hatte für ihn viel versprechend begonnen wie lange nicht: mit einem achtbaren Auftritt bei den Australian Open, wo er erst im Halbfinale am Weltranglistenersten Federer scheiterte.

Auch bei den French Open in Paris zeigte sich Kiefer anfangs gut in Form, aber im Zweitrundenspiel gegen den sensationell aufspielenden Franzosen Marc Gicquel musste er plötzlich um jeden einzelnen Ball kämpfen, als ginge es um sein weiteres Lebensglück.

Nach fast fünf Stunden gewann er zwar 11:9 im fünften Satz, trotzdem dürfte er den aufreibenden Kampf von damals inzwischen bereuen. Kiefer war auf den Knien geschlittert, gegen den Netzpfosten geknallt - und mehrmals auch auf seine Handgelenke gestürzt.

Klinsmann-Docs können kein Wunder vollbringen

Das linke wollte später einfach nicht mehr abschwellen. Im Achtelfinale gegen Tomas Berdych musste Kiefer aufgeben, weil er keine Rückhand mehr schlagen konnte. Das geht bis heute nicht.

"Jetzt werde ich meinen weiteren Jahresplan völlig überdenken und die Pause, die nach Wimbledon geplant war, vorziehen", teilte er mit. "Wie es weitergeht, kann ich im Moment noch nicht sagen."

Ansonsten blieb ihm nur der Dank an die Ärzte des Deutschen Fußball-Bundes: "Schon in Dortmund, unmittelbar vor dem Polenspiel, haben sie mich untersucht. Ebenso jetzt in Berlin. Die Mediziner haben alles versucht und alles getan, aber Entzündung und Schwellung wollen nicht abklingen. Es ist zum Verrücktwerden."

Selbst die Klinsmann-Docs können also offenbar keine Wunder vollbringen, was für den weiteren Verlauf der Fußball-WM eine hilfreiche Erkenntnis sein mag. Nicolas Kiefer tröstet sie nicht.

© SZ vom 23.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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