Kapitän Frings:Zurück im Wohlfühlbiotop

Lesezeit: 2 min

Torsten Frings hat seine Knieverletzung ausgestanden und ist zurück bei der Nationalelf. Und strotzt bereits wieder vor Selbstvertrauen.

Claudio Catuogno

Endlich wieder im Trainingsanzug! So schlendert Torsten Frings am Mittwoch über den Potsdamer Platz, in dieser silbern glänzenden DFB-Montur, und natürlich erregt er damit fast so viel aufsehen, als hätte er einen Astronautenhelm auf dem Kopf. Frings läuft schnell und nach vorne gebeugt, trotzdem muss er hier Autogramme geben und dort für Fotos stehenbleiben, "ach guck mal'', rufen die Leute, "der Frings ist wieder da".

Nun, im eigentlichen Sinne ist er ja gar nie weggewesen, nur musste er zuletzt immer in Jeans und Pullover und mit einem kaputten Knie dabeisitzen, wenn sich die Nationalmannschaft getroffen hat. "Immer nur als Besucher herzukommen'', sagt er, "das war nicht einfach." Jetzt darf er also wieder seine Sportsachen spazieren tragen, und am Samstag in Dublin, beim EM-Qualifikationsspiel gegen Irland (20.45 Uhr/ARD), soll er die Mannschaft sogar als Kapitän auf den Rasen führen. Ob das dann so einfach wird?

Frings entscheidet sich für ein bisschen Ironie, um die Frage zu beantworten. "Ob das einfach wird? Nein, das werd' ich sicher nicht schaffen, da mit der Binde rumzulaufen", sagt er. "Ich bin ja ganz neu im Geschäft.'' Dann lacht er aber nicht, sondern guckt sehr grimmig. Seht her, ich strotze wieder vor Selbstvertrauen, soll das heißen. Es ist ein Zeichen auch an all jene, die ihm eine Mitschuld unterschieben wollten am 1:3 von Werder Bremen gegen Piräus, als Frings sein erstes Champions-League-Spiel dieser Saison bestritt und am Ende ein bisschen müde wirkte. Was ja kein Wunder wäre nach zehn Wochen Pause wegen einer Außenbandverletzung im Knie - was von Frings aber trotzdem entschieden als "Mist" dementiert wird.

Wenn man die zuletzt fast wundersamen Auftritte des Nationalteams zum Maßstab nimmt, müsste Torsten Frings am Samstag im Croke Park ohnehin ein von Leichtigkeit und Raffinesse durchwirktes Comeback im Nationaldress hinlegen. So war es zuletzt ja immer: Egal, wen Bundestrainer Joachim Löw wo hingestellt hat, das Gebilde blieb stabil, und besonders die Rückkehrer und Bankdrücker nutzten das Wohlfühlbiotop Nationalmannschaft für ein bisschen Rehabilitation.

Und weil im DFB die Zuversicht groß ist, dass dies auch weiter so klappt, wird derzeit nur nebenbei zum Thema gemacht, wer in Dublin und am darauffolgenden Mittwoch in München gegen Tschechien alles nicht mitspielen kann (u.a. Ballack, Lahm, Klose, Hitzlsperger; auch Schneider und Hilbert sagten verletzt ab). Mit falscher Bescheidenheit will man sich gar nicht aufhalten, der Manager Oliver Bierhoff konnte es trotz des knappen Personalstands am Mittwoch kaum erwarten, nochmal öffentlich hohe Ziele zu verkünden: "Nach einer solchen WM müssen wir den Anspruch haben, bei der EM den Titel zu gewinnen", sagte er, acht Monate vor dem Turnier, für das die Deutschen rechnerisch noch nicht qualifiziert sind. Aber der eine Punkt, der in vier Spielen dafür noch erlöst werden muss - ,"das Selbstvertrauen haben wir, dass wir den holen", sagt Bierhoff.

So war es auch keinesfalls als despektierlich gegenüber der Konkurrenz zu verstehen, dass Löw und Bierhoff ihren erweiterten Kandidatenkreis am Dienstag zu einem "Bergabend'' nach Berlin eingeflogen haben, um sich der EM in Österreich und der Schweiz schon mal thematisch zu nähern. 33 Spieler saßen da in einem kleinen Berliner Kino zusammen, doch anders als vor der WM 1990 widmete man sich den Alpen nicht etwa musikalisch ("Wir sind schon auf dem Brenner, wir brennen schon darauf..."), eher sozialpädagogisch.

Jeder bekam ein individuell erstelltes Handbuch überreicht (Bierhoff: "Da ist zum Beispiel ein Aufsatz über Respekt drin''), und Torsten Frings ist nach dem Bergabend zu der Erkenntnis gelangt, "dass wir viel erreichen können, wenn wir als Team enger zusammenrücken". Gruppendynamische Prozesse wollen eben rechtzeitig in Gang gesetzt werden - das betreiben sie inzwischen mit einer nie dagewesenen Akribie. Früher, sagt Bierhoff, "kam halt ein Fax vom DFB, dann sind wir drei Tage zusammengewesen, das war's dann". Damals hätte ein verletzter Torsten Frings einfach zehn Wochen kein Fax bekommen.

© SZ vom 11.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: