Kanu:Mit Rückenwind auf die Paradestrecke

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Daumen hoch: Sebastian Brendel jubelt über seinen WM-Sieg beim Einer-Canadier über 500 Meter. (Foto: Tamas Kovacs/dpa)

Der Kanute Sebastian Brendel gewinnt bei der Weltmeisterschaft im ungarischen Szeged seinen elften Weltmeistertitel - und das über die ungeliebte Sprintstrecke.

Von Raphael Späth

"Es sieht so aus, als ob auf den oberen Bahnen die Party ordentlich abgeht." Fernseh-Expertin Bernadette Wallace, die auch selbst an der WM als Kanutin teilnimmt, zeigte sich beeindruckt, als im 500-Meter-Finale im Canadier-Einer der Männer bereits nach den ersten Metern die drei Athleten auf den Bahnen eins bis drei dem Rest des Feldes weit enteilt waren: Der Bulgare Angel Kodinov auf der obersten Bahn führte auch noch nach gut 300 Metern, auf Bahn drei hielt lange Zeit der Franzose Thomas Simart mit. Allerdings zog durch die Mitte der beiden ein weiß lackiertes Boot vorbei, sobald sich das Rennen dem Ende näherte und die Zuschauer auf der Haupttribüne immer lauter mit ihren aufblasbaren Klatschstangen Lärm machten. In dem Boot kniete der amtierende Olympiasieger und Weltmeister über die doppelte Distanz: Sebastian Brendel.

Der Deutsche startete an diesem Samstag verhältnismäßig langsam, was aber auch nur logisch ist - schließlich sind die 1000 Meter seine Paradestrecke. Das zeigte er dann auch im Schlussspurt über die halbe Strecke: Als einziger Athlet konnte er die Schlagfrequenz stark erhöhen, zog so innerhalb der letzten 200 Meter locker am Bulgaren und Franzosen vorbei und gewann am Ende mit einer halben Bootslänge Vorsprung. Kommentatorin Wallace überraschte das Ergebnis nicht: "Brendel und seine Zielspurts - heute konnte man wieder beobachten, dass das seine Stärke ist", sagte die Australierin trocken ins Mikrofon. "Das war ein klassisches Brendel-Finish." Der 31-Jährige selbst erklärte dem Stadionsprecher schon kurz nach dem Zieleinlauf, was diesmal das Erfolgsgeheimnis war: "Die Fans auf der Haupttribüne gaben mir heute die Energie für den Sprint, ich bin sehr dankbar für die Unterstützung."

Marcus Groß und Martin Hiller gewinnen Bronze

Der Weltmeistertitel über die ungeliebte Sprintstrecke kam trotzdem unerwartet, hatte Brendel in der gesamten Weltcup-Saison doch keinen einzigen Podestplatz erringen können. "Es ist schön, wieder ganz oben auf dem Treppchen zu stehen, auch wenn es erstmal nur die 500 Meter sind", strahlte er nach der Siegerehrung. "Das gibt Rückenwind für die 1000 Meter." Der Rückenwind war dann schon einige Stunden später spürbar, als er den Halbfinallauf über seine Paradestrecke souverän gewinnen konnte. "Wir wussten, dass Sebastian besser drauf ist als zuletzt", erzählte Bundestrainer Arndt Hanisch anschließend dem Sportinformationsdienst. "Das war nicht gerade seine Lieblingsstrecke, aber das hat er stark gemacht."

Allerdings war Brendel an diesem Tag der einzige Deutsche, der für wirklich strahlende Gesichter sorgte, in den sechs olympischen Bootsklassen blieb die deutsche Flotte am Samstag ohne Medaille. Die Titelverteidiger Yul Oeltze und Peter Kretschmer landeten über 1000 Meter im Canadier lediglich auf Rang vier und verpassten somit den Titel-Hattrick. "Natürlich sind wir hergekommen, um zu gewinnen", sagte Kretschmer nach dem Rennen. "Aber in den Vorläufen hatte sich schon abgezeichnet, dass die anderen sehr stark sind." Auch in den restlichen Konkurrenzen waren andere Boote schneller - was aber auch daran lag, dass der Deutsche Kanu-Verband die Besetzung der Rennen mehr an den Quotenplätzen für Olympia ausrichtete als am unmittelbaren Erfolg bei der diesjährigen Weltmeisterschaft. Lediglich Marcus Groß und Martin Hiller konnten mit Bronze über die nicht-olympischen 500 Meter im Zweier die deutsche Bilanz noch etwas aufpolieren.

Sebastian Brendel kann sich seinen Platz für Tokio 2020 im morgigen Finale über seine Paradestrecke sichern. Ein Sieg bedeutet gleichzeitig Weltmeistertitel Nummer zwölf, mit dem Erfolg über die 500 Meter nimmt der dreifache Olympiasieger auch bei seiner neunten Weltmeisterschaft mindestens eine Medaille mit nach Hause. Genug Gründe also, um nach dem morgigen Finale über die Paradestrecke auch abseits des Wassers eine Party zu feiern.

© SZ vom 25.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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