Judo:Zurück aus dem Exil

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Zwei Jahre nach ihrem freiwilligen Rückzug steigt der TSV Abensberg wieder ins deutsche Oberhaus auf - in dem das umstrittene Format demnächst geändert werden soll.

Von Max Ferstl

Eigentlich war alles wie immer. An der Seite standen die Judoka aus Offenbach wie Statisten; sie hatten sich ihrem Schicksal ergeben. Die Abensberger stellten sich unterdessen in der Mitte ihrer Halle auf, Arm in Arm, mit Gewinnerlächeln für das obligatorische Foto. Der Vorsprung in der Tabelle war durch ihren 11:3-Sieg so groß geworden, dass der TSV am letzten Kampftag nicht mehr überholt werden kann. Ehrenabteilungsleiter Otto Kneitinger überreichte den Siegern ein überdimensioniertes Bierglas samt Inhalt. Wer in 23 Jahren 20 deutsche Meisterschaften gewinnt, entwickelt beim Feiern eben eine gewisse Routine.

Nur gab es am vergangenen Samstag einen Unterschied zu den vergangenen Feierlichkeiten. Abensberg ist zwar wieder Meister, aber nur in der zweiten Liga. Es war also eine Aufstiegsfete. Kneitinger, der immer noch für das Bundesliga-Team verantwortlich ist, sagte: "Wir sind wieder da, wo wir hingehören."

Abensberg hatte sich vor knapp zwei Jahren freiwillig aus der Bundesliga zurückgezogen. Die Entscheidung wurde damals auf einer groß aufgezogenen Pressekonferenz verkündet, die Überraschung war groß. Man stelle sich vor, der FC Bayern München würde plötzlich seine Fußballmannschaft abmelden, auch wenn der Vergleich freilich hinkt. Judoka sind Einzelkämpfer, sie müssen viele internationale Wettbewerbe bestreiten. Die Liga genießt für sie nicht die höchste Priorität. Vor Olympia, wenn der Wettkampfkalender mit zahllosen Qualifikationsturnieren vollgestopft ist, gelten Ligakämpfe als Zusatzbelastung.

Der TSV wollte seinen Athleten damals keine zusätzliche Last aufbürden. "Olympia ist das Größte in unserem Sport", sagt Kneitinger, wenn er heute über den Rückzug spricht. Das bedeutete, dass 23 von 30 Kämpfer aus dem Bundesligakader nicht mehr zur Verfügung standen. Der TSV hätte sich nicht zurückziehen müssen, wäre so aber wohl kein Meisterschaftskandidat gewesen. Das widersprach dem eigenen Selbstverständnis. Die Olympioniken wurden allerdings weiterhin unterstützt. "Es ging weniger um die Kohle", sagt Sebastian Seidl, einer von vier deutschen TSV-Startern in Rio: "Wichtiger war die Zeit, in der wir uns erholen konnten." Wobei sich die Olympia-Bilanz der Abensberger bescheiden liest: Seidl, Sven Maresch, Marc Odenthal und André Breitbarth scheiterten in der Vorrunde. "Dieser Teil des Plans ist nicht nach Wunsch gelaufen", gibt Kneitinger zu. Dafür gelang der Wiederaufstieg, von der Regional- in die Bundesliga. Und noch etwas scheint sich gerade nach Kneitingers Wunsch zu entwickeln.

Das Niveau soll etwas sinken - damit Aufsteiger sich in der Bundesliga etablieren können

Als sich Abensberg zurückzog, forderte der 61-Jährige, dass sich die Bundesliga reformieren müsse. Das aktuelle Format sei zu unattraktiv: In der Nordstaffel ziehen vier der fünf Teams nach der Hauptrunde ins Viertelfinale ein. "Die fahren von April bis September mehr oder weniger sinnlos in der Gegend herum. Das kannst du keinem verkaufen", sagt Kneitinger. Abensbergs Rückzug wollte er auch als "Weckruf" verstanden wissen. Doch der schien die Verantwortlichen nicht zu erreichen. Peter Frese, Präsident des Deutschen Judobundes, vergleicht das System mit einer "Couch-Potato", denn: "Alle haben es sich bequem gemacht, keiner bewegt sich, aber richtig zufrieden ist auch niemand."

Frese kennt und schätzt Kneitinger. Er bezeichnet ihn als "Hund - das meine ich positiv. Er weiß, wie er Aufmerksamkeit bekommt". Im April, als sich noch immer keine Neuerungen abzeichneten, drohte Kneitinger, dass sich Abensberg komplett zurückziehen werde. "Sonst mache ich mich ja lächerlich." Kneitinger bellt gerne, beißt aber selten zu. "Was wäre denn Abensberg ohne Judo?", fragt Frese und lacht. Vor zwei Wochen hat die Ligatagung schließlich ein Konzept verabschiedet, über das die Jahreshauptversammlung im November abstimmen wird: Ab 2018 sollen die Staffeln auf je neun Mannschaften erweitert werden. Ins Finale ziehen nur die jeweils besten zwei Teams des Nordens und Südens ein. Auch soll es einen Abstiegskampf geben, der den Namen verdient. Bisher stieg der Aufsteiger oft prompt wieder ab, weil der Leistungsunterschied zwischen erster und zweiter Liga zu groß war. Mit 18 Mannschaften, so der Plan, wird das Niveau sinken und die Liga auch für kleinere Vereine machbar.

Es ist eine spannende Frage, ob die Bundesliga tatsächlich spannend wird. Vor allem nun, da der Serienmeister zurückgekehrt ist. Abensbergs Spitzenathleten haben verlängert, Kneitinger hat angekündigt: "Die Meisterschaft geht über uns."

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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