Jubiläum der Sporthilfe:Prüfung für die Guten

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Mehr Geld für die besten Sportler zulasten der Mehrheit - und mal wieder die umstrittene Hall of Fame: Die Sporthilfe feiert ihr 50. Jubiläum, doch auch die weitgehend geschätzte Stiftung muss sich in diesen Tagen zwei schwierigen Debatten stellen.

Von Johannes Aumüller

Neulich war Michael Ilgner, der Chef der Sporthilfe-Stiftung, zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Es ging um den Leistungssport und die geplanten Reformen, und zur Begrüßung sagte der Moderator: "Die von der Sporthilfe, das sind immer die Guten." Das war nicht ganz ernst gemeint, hatte aber einen wahren Kern. Denn tatsächlich hat sich die Sporthilfe, vor allem im vergangenen Jahrzehnt, den Ruf erarbeitet, einen differenzierteren und mehr an Werten orientierten Blick auf den Spitzensport zu haben als viele andere im organisierten Sport. Insbesondere im Vergleich zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Doch auch "die Guten" müssen sich bisweilen Kontroversen stellen. Das erfährt die Sporthilfe in diesen Tagen gleich bei zwei Themen: ihrer "Hall of Fame" und ihrem neuen Förderkonzept.

Wird die Zahl der Sportler, die die Sporthilfe fördert, halbiert?

An diesem Freitag feiert die Sporthilfe 50. Geburtstag. Seit der von Willi Daume und Josef Neckermann forcierten Gründung ist es die wichtigste Aufgabe der Stiftung, Geld für den Spitzensport einzutreiben. Und zwar Geld, das nicht in den Verbandsstrukturen landet, sondern direkt bei den Athleten. Die brauchen das bis heute dringend, weil sehr viele von ihnen, entgegen manch landläufiger Meinung, nicht sonderlich gut verdienen; in diversen Disziplinen müssen selbst Welt- oder Europameister mit ein paar Hundert Euro im Monat auskommen. Früher fußte der Sporthilfe-Etat vor allem auf Einnahmen aus Sport-Briefmarken und der Glücksspirale, heute sind in erster Linie Zuwendungen großer Unternehmen sowie Fundraising die Finanzbasis. 14,5 Millionen Euro sollen 2017 an Sportler fließen, mehr als je zuvor. Bald will der frühere Wasserballer Ilgner genügend Einnahmequellen akquiriert haben, um sogar 20 Millionen Euro jährlich auszuschütten.

Unabhängig von der konkreten Summe ist aber die Frage, nach welchen Kriterien die Sporthilfe ihr Geld verteilt. Seit Jahresbeginn gibt es ein neues Konzept. Bisher erhielten zirka 3800 Sportler monatliche finanzielle Förderung, in sieben verschiedenen Stufen vom C-Kader-Athleten (100 Euro) bis zum WM-Sieger (800 Euro). Nun könnte sich die Zahl der Sportler ungefähr halbieren. Grundsätzlich erhalten noch zwei Gruppen regelmäßig Geld: Wer es bei einer WM oder Olympia unter die Top Acht schafft, kommt ins "Top Team". Wer es demnächst schaffen könnte, kommt ins "Top Team Future". Ilgner sagt: "Wir wollen mehr fokussieren, aber mit Augenmaß."

Michael Ilgner. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Für die geförderten Sportler soll es zunächst 300 Euro monatlich geben, für die Top-Team-Mitglieder bald 800 bis 1000 Euro und zudem eine Unterstützung in der ersten Phase nach der Karriere. Für alle anderen bleibt nur die sogenannte Basisförderung, die vor allem aus Sachleistungen besteht. Wie viele Athleten genau in diese Gruppen fallen, kann Ilgner noch nicht sagen. Aber er geht davon aus, dass es in Deutschland etwa 600, 700 Top-Athleten gibt und 1000 verheißungsvolle Talente. "Wir haben nichts davon, wenn wir allen 100 oder 150 Euro im Monat geben und sich dann immer weniger Athleten mit 16 oder 17 für den Leistungssport entscheiden", sagt Ilgner: "Deshalb wollen wir diejenigen, die wir unterstützen, so fördern, dass sie auch sagen können: Ja, das reicht, um Leistungssport zu betreiben. Das erreichen wir nicht damit, indem wir die wenigen Gelder, die wir haben, auf so viele wie möglich verteilen."

Der Ansatz führt zwangsläufig zu Härtefällen. In manchen Disziplinen ist es kaum möglich, die Vorgabe zu erfüllen. Der beste deutsche 100-Meter-Sprinter etwa wird auf absehbare Zeit nicht unter die Top-Acht der Welt kommen - und zwar unabhängig davon, wie verbreitet Doping in dieser Weltspitze ist. Gibt es für deutsche Sprinter also grundsätzlich keine Chance mehr auf Förderung? "Gerade diese Härtefälle schauen wir uns genau an", verspricht Ilgner.

Mancher in der Szene verfolgt das Konzept dennoch irritiert. Weil es dem umstrittenen, auf Medaillen fixierten Weg so sehr ähnelt, den Bundesinnenministerium und DOSB bei der Leistungssportreform gerade beschreiten: eine Konzentration der Mittel auf die Besten. Welches Signal sendet die Sporthilfe damit aus? Athletensprecher Max Hartung, der auch Mitglied im Sporthilfe-Aufsichtsrat ist, findet den Kerngedanken richtig. "Die Sporthilfe hat ein begrenztes Budget. Mit dem neuen Förderkonzept übernimmt sie für weniger Athleten mehr Verantwortung. Das ergibt Sinn", sagt er. Trotzdem: "Wir sorgen uns um die Athleten, die nicht ausreichend gefördert werden. Selbst die Sportler aus Top Team und Top Team Future können sich nicht ohne Sorgen auf den Leistungssport konzentrieren."

Die zweite Kontroverse: die "Hall of Fame", die Ruhmeshalle des deutschen Sports. Die war vor gut einem Jahrzehnt von der Sporthilfe ins Leben gerufen worden, um an erfolgreiche Athleten zu erinnern. Zuletzt gab es heftige Kritik. Beim Festakt an diesem Freitag kommen vier neue Mitglieder hinzu (unter anderem Lothar Matthäus), aber um ein Haar wären es fünf geworden. Zunächst sollte auch der frühere Radprofi und DDR-Volksheld Adolf "Täve" Schur aufgenommen werden, der vor fünf Jahren schon einmal abgelehnt worden war - und der bis heute die Verbrechen des DDR-Regimes beschönigt. Formal ging der Vorschlag vom DOSB aus. Aber die Sporthilfe stoppte ihn nicht. Nur der Umstand, dass Schur in der Jury keine Mehrheit fand, ersparte Ilgner am Ende die Peinlichkeit, Schur aufnehmen zu müssen.

Er sieht trotzdem keine Fehler. "Ich glaube, ich würde nicht viel anders machen. Aber wir mussten erkennen, dass es im deutschen Sport aufgrund seiner Geschichte noch Gräben gibt und Pole, die zu weit auseinanderliegen."

Die Causa Schur verstärkt eine generelle Debatte über das Projekt. Viele der 108 Mitglieder sind aus unterschiedlichen Gründen mit Makeln behaftet, die Bandbreite reicht von NSDAP-Vergangenheit bis zu Doping-Verdacht. Die Ruhmeshalle wird als Ort der Heldenverehrung wahrgenommen, nicht als Ort kritischer Auseinandersetzungen mit brüchigen Sportlerbiografien. Aber das mit dem Heldentum ist halt eine schwierige Sache im Sport. Von daher wird es bald Veränderungen geben, "wir wollen nicht einfach so weitermachen", sagt Ilgner. Im Herbst soll ein Forum beraten, wie sich der Umgang mit der Sporthistorie besser gestalten lässt. "Vielleicht müssen wir auch sagen, dass so ein großes Projekt wie die Hall of Fame und die Aufarbeitung der Vergangenheit etwas zu groß ist, um es alleine zu stemmen. Und dass hier auch andere stärker gefordert sind.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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