Jenson Button:Raus aus dem Sitzrasenmäher

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Ist für Jenson Button nächste Saison noch ein Platz im McLaren-Cockpit frei, und wenn ja, will er überhaupt bleiben? (Foto: Franck Robichon/dpa)

Der frühere Weltmeister fährt im McLaren/Honda nur noch hinterher. In Suzuka gibt es Rücktritts-Spekulationen.

Von Elmar Brümmer, Suzuka

Für den Abschied war alles angerichtet, Japan ist nach Großbritannien und Monaco eine Art dritte Heimat von Jenson Button, dem Formel-1-Champion von 2009. Er liebt das japanische Model Jessica Michibata, und die Japaner verehren ihn. Wenn schon zurücktreten, noch vor dem Ende der Saison - dann am besten hier.

Vor dem 14. WM-Lauf klang es, als sei sein Entschluss gefasst aber noch nicht spruchreif: "Mein Kopf weiß es, aber mein Mund und meine Zunge wissen es noch nicht", orakelt er, "man hat im Auto nur Spaß, wenn man an der Spitze mitkämpfen kann, denn dann hat man das Gefühl, dass man etwas erreicht. Die Freude kommt vom Wettkampf." Dass Button und sein McLaren-Teamkollege Fernando Alonso unter normalen Umständen einen verlorenen Kampf kämpfen, hat auch mit Japan zu tun - genauer gesagt mit den Hybrid-Antriebssträngen von Honda. Die sind noch in der Experimentierphase, die ganze Saison erscheint wie eine Serie von Testfahrten und technischen Rückschlägen.

Auch Buttons Karriere, es ist seine 16. Saison in der Königsklasse, könnte dabei draufgehen. Bei McLaren stehen in dem Belgier Stoffel Vandoorne und dem Dänen Kevin Magnussen zwei Talente schon unter Vertrag, aber auf Druck von Honda und wegen seiner großen Erfahrung durfte Button in diesem Jahr noch mal in die Rennen gehen. Gut möglich, dass es der 35-Jährige jetzt dem Australier Mark Webber nachmacht und in die Sportwagen-Weltmeisterschaft wechseln wird: "Was auch immer ich im nächsten Jahr tue, es wird mich glücklich machen."

"Ich mag nicht mehr auf den 14. Platz fahren"

Die Formel 1 würde einen ihrer besten Typen verlieren - einen talentierten Rennfahrer, der abseits der Piste im Nu zwischen Playboy und Elder Statesman wechseln kann. Die Frage, was er vorhabe, war die erste bei der Talkrunde am Suzuka International Circuit, und Button beantwortete sie mit einem Schmunzeln: "Sie meinen jetzt? Oder nachher?" Noch ist er nicht bereit, seine Pläne offenzulegen, vielleicht vertraut McLaren ihm ja auch noch eine weitere Saison. Dagegen spricht die Zielsetzung des Briten: "Ich mag nicht mehr auf den 14. Platz fahren, sondern in die Top Ten. Aber das ist auch nicht das, was mich vom Hocker reißt oder was ich genießen würde." Ein Mann sucht eine Perspektive. McLaren-Teamchef Eric Boullier sagt, dass er versucht, den bei Technikern wie beim Publikum gleichermaßen beliebten Button zu halten.

Von Sebastian Vettel jedenfalls gab es schon eine Lobeshymne, die so klang, als ob der Ferrari-Pilot bereits in Buttons mutmaßliche Ausstiegspläne eingeweiht worden wäre: "Das wäre sicherlich ein großer Verlust für die Formel 1. Er ist ein echter Charakterkopf, und er ist auf der Piste stets sehr fair. Seine fahrerische Qualität steht außer Frage. Wir alle wissen, dass er schnell ist - mit dem richtigen Auto könnte er eine gewichtige Rolle im Kampf um einen weiteren Weltmeistertitel spielen." Mit der Frage nach der nötigen Power sieht sich Yaruhisa Arai, der Sportchef von Motorenlieferant Honda, an jedem Wochenende konfrontiert. Mittlerweile hat die britische Journaille Arai zum Buhmann aufgebaut, zum verantwortlichen Manager für die fehlenden PS. Es geht so weit, dass die PR-Abteilung von McLaren vor Talkrunden schriftlich bittet, von persönlichen Attacken abzusehen. Neulich musste sich Arai fragen lassen, ob er sich bereits bei Button und Alonso dafür entschuldigt habe, dass Honda zwei Weltmeistern einen Teil der Karriere ruiniere. Arai, der offensichtlich Schwierigkeiten hat, Englisch zu verstehen, fragte verstört zurück: "Warum? Warum?"

Die Motorenhersteller sind beliebte Sündenböcke

Dabei ist klar, warum das Team, das vor einem Vierteljahrhundert gemeinsam die Formel 1 dominierte, momentan noch nicht so richtig in die Gänge kommt: Honda hat einen zweijährigen Rückstand an Entwicklungszeit aufzuholen, die ganze Saison ist eine Dauertestfahrt. Von den gefahrenen Kilometern mit den Hybrid-Motoren erreicht McLaren-Honda erst jetzt die Marke, die Mercedes bereits vor dem Saisonstart auf dem Buckel hatte. McLaren und sein Konzernchef Ron Dennis sind - mal abgesehen von Ferrari - das Stolzeste, was es in der Königsklasse gibt. Besessen von Perfektionismus und Makellosigkeit, deshalb hatte man ja so sehr auf eine schnelle gemeinsame Linie mit dem Automobilhersteller gehofft.

Doch seit die Krise größer ist als erwartet, passiert im McLaren-Hauptquartier in Woking, Südengland, Altbekanntes. Motorenhersteller werden von den Rennställen schnell zu Sündenböcken gemacht. Das ist bei Red Bull und Renault gerade so, und bei McLaren und Honda noch viel mehr. Das dürfte Volkswagen, sollten die vagen Audi-Pläne je spruchreif gewesen sein, ordentlich abschrecken. Und das wiederum ist der Grund dafür, dass der Serienvermarkter Bernie Ecclestone nun schäumt. Er fürchtet mal wieder um seine Erträge.

Einen sehr souveränen Umgang mit der Saison, die vom geplanten Übergangs- in ein Seuchenjahr mündete, pflegen hingegen die japanischen Werbefilmer. Sie setzen den Slogan der "Kraft von Honda" in Origami um, die ganze Produktpalette entfaltet sich aus Papier. In dieser Metamorphose wird aus dem Formel-1-Rennwagen ein Sitzrasenmäher. Dem - ungewollten - Sarkasmus folgt ganz am Ende wenigstens noch eine hoffnungsvolle Botschaft: "Man weiß nie, wohin einen seine Träume führen werden."

© SZ vom 27.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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