Japan und Kroatien:Im Sinne des Ausgleichs

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Ein gutes Spiel und ein Ergebnis, das keinem hilft: Japan und Kroatien trennen sich 0:0.

Christian Zaschke

Die letzten zehn Minuten der Partie waren so, wie Fußball am schönsten ist: Japaner und Kroaten hatten alle taktischen Fesseln abgelegt, sie stürmten nun bedingungslos, sie wollten dieses eine Tor, den Sieg.

Genug abgetastet

Es war herrlich anzusehen, es ging hin, und es ging her, und doch: Es fiel kein Tor. 0:0 endete die Partie zwischen Japan und Kroatien am Sonntagnachmittag. Es war ein gutes und unterhaltsames Fußballspiel, doch es ist ein Ergebnis, das keiner der Mannschaften wirklich weiterhilft.

Es waren ja zwei Geschlagene, die gegeneinander angetreten waren, beide Mannschaften hatten ihr erstes Spiel verloren, für beide ging es darum, eine Niederlage zu vermeiden und im Turnier zu bleiben. Wie also spielen? Von Beginn an angreifen, sofort auf Sieg spielen? Natürlich nicht.

Beide hatten sich offenbar die Strategie zurechtgelegt, zwar einerseits zu schauen, was der Gegner anzustellen in der Lage ist, andererseits jedoch selbst erst einmal möglichst gar nichts anzustellen. Dieses Phänomen nennt sich in der Fußballsprache "abtasten", und es waren die Kroaten, die nach 20 Minuten genug getastet hatten. Sie griffen an.

Der Bremer Ivan Klasnic setzte das erste Signal mit einer Flugeinlage. Mit weit vom Körper gestreckten Beinen segelte er durch den Strafraum der Japaner und versuchte, eine Flanke noch mit der Fußspitze zu erreichen. Das gelang ganz knapp nicht, doch damit war das Spiel eröffnet.

Eine Minute später rannte Dado Prso mit Wucht in den Strafraum, er überspielte den Verteidiger Tsuneyasu Miyamoto, der beim Versuch, Prso doch noch aufzuhalten, diesem auf die Hacken trat. Prso fiel, Schiedsrichter Frank de Bleeckere pfiff und zeigte an: Elfmeter.

Eine Art Wettschießen

Darijo Srna legte sich den Ball zurecht, er lief an und schob den Ball platziert nach rechts, doch Torwart Yoshikatsu Kawaguchi schnellte in die Ecke und wehrte den Ball ab. Srna lief dann kurz orientierungslos umher, als habe das Erlebnis seine festen Koordinaten in Bewegung gebracht, doch schnell kam Klasnic und tröstete den Schützen.

Es entwickelte sich in der Folge eine muntere Partie, der man nun auch ansah, dass es für beide Mannschaften um viel ging. Die Japaner griffen zu einem Mittel des Angriffs, das sie sonst eher selten verwenden: Sie probierten es mit Fernschüssen. Da auch die Kroaten gern mal aus der Distanz abziehen, entwickelte sich eine Art Wettschießen.

Der eingebürgerte Japaner Alessandro Santos machte den Anfang mit einem Schuss aus 25 Metern Entfernung, der knapp am Tor vorbeiflog (27.). Nun war es an den Kroaten, Niko Kranjcar setzte aus der Drehung einen sehenswerten Schuss an, der an die Latte prallte (29.).

Die japanischen Antwort: Mitsuo Ogasawara zog aus 20 Metern Entfernung ab, Torwart Stipe Pletikosa hatte einige Mühe mit dem mittlerweile berüchtigten, flatternden Ball.

Beinahe hätte eine weit weniger brachiale Szene zum einzigen Tor der Partie geführt. Japans Torwart Kawaguchi wollte einen Rückpass mit dem Fuß stoppen, niemand bedrängte ihn. Kawaguchi schaute, dann rollte ihm der Ball über den Fuß und knapp neben das Tor (34.).

Er wäre zum Gespött der WM geworden, noch in Jahrzehnten hätte der Treffer seinen Platz in der Sammlung kurioser Momente gehabt. Kawaguchis Gesicht erschien auf den beiden Leinwänden im Stadion: Er blies die Backen auf und schüttelte den Kopf. Nein, so wollte er nicht in die WM-Geschichte eingehen.

Bessere Chancen gibt es nicht

Die Japaner versuchten es weiter mit Fernschüssen (Nakata, 36., 24 Meter, Santos, 37., 26 Meter), jedoch erfolglos. Die kroatische Antwort besorgte jeweils Ivan Klasnic mit zwei Schüssen, einen wehrte der Torwart ab (40.), einer flog weit übers Tor (45.).

Die Fernschussmethode haben die Japaner vielleicht entwickelt, weil sie wissen, dass es aus kurzer Distanz auch nicht besser klappt. Nach 51 Minuten wurde Atsushi Yanagisawa vor dem Tor freigespielt, Entfernung: vier Meter, und Pletikosa stand neben dem Tor. Es gelang Yanagisawa dann, den Ball neben das Tor zu schießen, und es ist keine Übertreibung zu sagen: Bessere Chancen bekommt man nicht.

Nach diesem Schock zogen sich die Kroaten zurück, um die Japaner aus der Defensive zu locken. Das gelang besser als erwartet, Japan spielte nun überlegen und griff couragiert an. Es passte gut zu dieser ausgeglichenen Partie, dass die Kroaten das japanische Drängen nach gut zehn Minuten ihrerseits mit einer Drangphase beantworteten.

Stürmer Ivica Olic kam in die Partie und erspielte sich einige Chancen, die er jedoch vergab. Ganz im Sinne des Ausgleichs endete die Partie mit engagierten Angriffen auf beiden Seiten, und ebenso im Sinne des Ausgleichs führte keiner von ihnen zu einem Treffer.

© SZ vom 19.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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