Japan-Grand-Prix:Reifeprüfung mit Bravour

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Formel-1-Pilot Alonso hat schon vor dem letzten Rennen bewiesen, dass sein WM-Titel 2005 kein Zufall war.

René Hofmann

Ein Geheimnis seines Erfolges wird Fernando Alonso hoffentlich verraten nach dem Saisonfinale am 22. Oktober: Was es mit den Pantomimen-Einlagen auf sich hat, die er nach Siegen gerne zeigt. Nach dem Erfolg beim Auftakt in Bahrain tanzte er wie ein Torero auf seinem Renault; nach seinem Heim-Grand-Prix in Spanien ließ er den Oberkörper nach vorne fallen und die Arme baumeln, so dass er an King Kong erinnerte; nach seinem ersten Triumph in Großbritannien tat er so, als schösse er aus dem Gatter, in das die Sieger gesperrt werden, Pfeile in die Menge; ein bisschen sah er aus wie Robin Hood. Die Figur, die er in Japan zeigte, war da weitaus schwieriger zu interpretieren. Alonso schob den Oberkörper in die Waagrechte, breitete die Arme aus und hob einen Fuß leicht vom Boden. Was das alles heißen könnte: Meine Verehrung liebes Team - obwohl ich ständig an euch herummeckere und euch verlassen werde, habt ihr mir echt ein starkes Auto gebaut! Jetzt fehlt nur noch ein kleiner Schritt zum großen Ziel! Seht her, mich bringt so leicht nichts aus dem Gleichgewicht! Kaum aus dem Auto, reichte ihm sein Chefmechaniker die Sonntagsausgabe einer Fahrerlagerzeitschrift. Deren Titelseite zeigte ein Foto, auf dem Alonso recht fertig aussah. Die Schlagzeile dazu: "Unter Druck". Alonso griff das Blättchen und deutete hämisch auf den Titel. Dann warf er es abfällig in die jubelnde Menge. Noch so eine Geste, die zum Deuten einlud: Druck? Pah! Bitteschön, so einfach geht das.

In zwei Wochen bietet sich dem 25-jährigen Spanier in Sao Paulo eine exzellente Chance, zum zweiten Mal Weltmeister zu werden. Nach Michael Schumachers Motorschaden in Suzuka hat Alonso zehn Punkte Vorsprung. Schafft er es unter die ersten Acht, ist ihm der Titel nicht zu nehmen. In diesem Jahr blieb er bloß zweimal ohne Punkte: in Ungarn, wo ihn eine lose Radmutter stoppte, und in Monza, wo sein Motor explodierte. Ansonsten waren seine schlechtesten Platzierungen zwei fünfte Ränge.

Die Statistik spricht für Alonso

Seit es die Formel 1 gibt, waren am Saisonende noch nie zwei Fahrer punktgleich, so dass die Mehrzahl der Siege hätte entscheiden müssen, wer den Titel gewinnt. Die Statistik spricht klar für Alonso, doch ganz egal, wie das 18. Rennen ausgeht, gewonnen hat er schon jetzt: an Profil. Der Mann aus Oviedo ist der große Sieger 2006, weil er gezeigt hat, dass sein erster WM-Titel kein Zufall war. Im vergangenen Jahr stieg er zum jüngsten Meister der Klasse auf. In diesem Jahr stand die Reifeprüfung an, und Alonso hat auch die mit Bravour abgelegt. Er hat sich als die nächste große Nummer nach Michael Schumacher etabliert.

Das erste Husarenstück fädelte er schon im Winter ein, auf eigene Faust: sein Engagement von 2007 an bei McLaren. Es ist ein Wechsel weg von Renault, weg von Flavio Briatore, der ihn lange managte. Aber Alonso wusste: Briatore würde ihn trotz der Demütigung nicht fallen lassen können. Die Zukunft von Renault in der Serie war offen, Briatores Vertrag als Teamchef lief aus. Alonso antizipierte: Briatore brauchte ihn, um selbst im Spiel zu bleiben. Das Kalkül ging auf. Wie 2005 hatte das Team im Winter die beste Arbeit geleistet. Das Modell R26 war zu Saisonbeginn das beste Auto. Alonso nutzte das. In den ersten neun Rennen wurde er stets Erster oder Zweiter. Eine starke Bilanz, mit der er seinen Teamkollegen Giancarlo Fisichella in die Rolle des Vorlagengebers verwies. Über die 25 Punkte Rückstand von Michael Schumacher nach dem Großen Preis von Kanada redeten viele. Dass Fisichella zur gleichen Zeit 47 Zähler hinter seinem Teamkollegen lag, registrierten wenige. Alonso schon. Nach dem Großen Preis von Frankreich zürnte er: "Immer muss ich alles alleine machen."

Meister in der Psycho-Disziplin

Das Team - für Alonso ist das ein Bündnis mit nur einem Zweck: Es soll ihn an sein Ziel bringen. Michael Schumacher hat das immer genauso gesehen. Er wählte bloß subtilere Mittel. Den Kollegen in aller Öffentlichkeit anzuprangern, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Alonso tat es. Kühl. Kalkuliert. Vor dem Grand Prix in Japan bezichtigte er Fisichella der unterlassenen Hilfeleistung. "Ich habe mich allein gelassen gefühlt", sagte Alonso. Fisichella verteidigte sich zwar so gut er konnte, doch das half ihm wenig. Alonsos Anklage hatte so viel Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt, dass er wusste: In den letzten beiden Rennen werden alle genau hinschauen, ob ich dem WM-Kandidaten zur Hilfe eile. Ohne ein weiteres Wort konnte sich Alonso so der Unterstützung des netten Italieners sicher sein.

Derlei Psycho-Spielchen gehören zur Formel 1, viele Piloten wissen das, aber nur wenige beherrschen sie wirklich gut. Ayrton Senna war ein Meister in dieser Disziplin, Michael Schumacher lernte schnell, dass für den Erfolg weit mehr nötig ist, als zügig Auto fahren zu können. Fernando Alonso zeigt vielversprechende Ansätze. McLaren-Chef Ron Dennis freut sich schon auf den Strategen, der im kommenden Jahr eines seiner Autos bewegen wird. "Alles, was er von sich gibt", sagt Dennis über Alonso, "ist gut durchdacht."

© SZ vom 10.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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