Hoyzer-Prozess:Den guten Ruf des Fußballs verzockt

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In Berlin stehen seit Dienstag die mutmaßlichen Drahtzieher des größten deutschen Sportwettenbetrugs vor Gericht.

Hans Holzhaider

Berlin - Fünf sehr seriöse Herren haben auf der Anklagebank im Saal 500 des Berliner Landgerichts Platz genommen, und Robert Hoyzer, 26, ist der seriöseste von allen. Der ehemalige Schiedsrichter trägt einen makellosen dunklen Anzug, und er hat sich eine Brille mit rechteckigen, schwarz umrandeten Gläsern zugelegt, jederzeit würde man einen Gebrauchtwagen bei ihm kaufen.

Auch sein Ex-Schiedsrichterkollege Dominik Marks, der Fußballer Steffen Karl, früher Chemnitzer FC, und die kroatischen Brüder Milan und Filip Sapina sind wie aus dem Ei gepellt. Nur Ante Sapina, den man mit einigem Recht als Hauptangeklagten bezeichnen kann, fällt da aus dem Rahmen. Er ist der einzige, der noch in Untersuchungshaft sitzt, die anderen wurden alle gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt.

Ante Sapina, mit 29 der jüngste der Brüder, trägt ein kanariengelbes Hemd, Jeans und eine bunte Trainingsjacke. Er hat ein blasses, kindlich wirkendes Gesicht. "Ich bin der Ante", sagt er freundlich, als die Vorsitzende Richterin Gerti Kremer die Personalien der Angeklagten aufnimmt.

Die Liste der Schande

Gemessen an der Höhe des Schadens, den die sechs Angeklagten angerichtet haben sollen, ist das öffentliche Interesse an diesem Prozess ungeheuer. Um etwa zwei Millionen Euro sollen die Gebrüder Sapina verschiedene Wettgesellschaften, allen voran die staatliche Firma Oddset, geschädigt haben; das ist nicht die Welt, verglichen mit anderen großen Betrugsaffären. Aber der ideelle Schaden! Der deutsche Sportsgeist! Das Ansehen des deutschen Fußballs, im Jahr vor der Weltmeisterschaft! Vielleicht ist es gut, dass eine Frau den Vorsitz in diesem Verfahren führt, für die Fußball nicht zu den allerheiligsten Gütern der Nation gehört. Im übrigen haben auch die drei Richter und die beiden Schöffen auf Anregung der Verteidiger versichert, das sie noch nie Fußballwetten abgeschlossen haben und insoweit nicht als befangen gelten können.

Eine knappe Stunde dauert die Verlesung der Anklage, der Schandliste jener 23 Spiele, bei denen Robert Hoyzer und andere, angestiftet durch den fanatischen Zocker Ante Sapina, das Ergebnis durch parteiische Entscheidungen manipuliert oder dies zumindest versucht haben sollen. Nur die Highlights lassen sich hier referieren: Das Pokalspiel zwischen dem SC Paderborn und dem HSV am 21. August 2004 etwa: Die Paderborner Spieler Waterink und Löbe ließen sich im Strafraum des HSV fallen, und Hoyzer gab zweimal Elfmeter. Das Spiel endete 4:2 für Paderborn, Ante Sapina entlohnte Hoyzer mit 20000 und Waterink mit 10000 Euro. Ante Sapina kassierte damals allein von Oddset Wettgewinne in Höhe von 750.000 Euro.

Oder Braunschweig - St. Pauli am 5. Juni 2004: Hoyzer erkannte zwei Tore für St. Pauli nicht an, das Spiel endete 4:2 für Braunschweig. Hoyzer kassierte später 10.000 Euro und bekam als Draufgabe noch einen Plasmafernseher. Sapina hatte 157000 Euro eingesetzt und gewann 560.395 Euro. Oder, das letzte Spiel auf der Anklageliste: Karlsruher SC gegen MSV Duisburg am 3. Dezember 2004: Schiedsrichter Dominik Marks ignoriert für 20000 Euro ein klares Foulspiel von Duisburg, im Gegenzug fällt das 2:0. Das Ergebnis beschert Ante Sapina einen Wettgewinn von 870.000 Euro. Das sind Welten, von denen der brave Lottospieler kaum etwas ahnen dürfte.

Ante Sapina war ein Profizocker, einer, für den Wetten der Lebensinhalt war. Mit 16 hat er damit angefangen, erzählt er, und das hat sich schnell entwickelt, es gab Wettbüros im Internet, er hatte Glück, und er spielte höher, gewann einmal 60.000 Mark und setzte 50.000 gleich wieder ein für eine Langzeitwette: dass Bayern München Deutscher Meister wird. Das war im Jahr 2000, und am letzten Spieltag waren die Bayern schon fast aus dem Rennen. Leverkusen brauchte nur noch einen Punkt, um Meister zu werden, und dann kam dieses schreckliche Spiel in Unterhaching, Leverkusen verlor, und die Bayern waren Meister. Das waren 100.000 Mark für Ante Sapina!

"Das war der Durchbruch", sagt er, danach schien ihm fast alles zu gelingen. Aber er war eben auch clever. Er saß am Fernseher, nahezu Tag und Nacht, und wenn die anderen im Urlaub am Strand lagen, saß er im Hotelzimmer mit dem Laptop und saugte Informationen ein über alle möglichen Randsportarten, Damenbasketball in den USA, Baseball, Skispringen. Da wussten die deutschen Buchmacher nicht so gut Bescheid, da boten sie manchmal Quoten an, die in keinem Verhältnis zu den Gewinnchancen standen. "Für mich war immer das Mathematische wichtig", sagt Ante Sapina. "Wenn die Quote höher ist als die Gewinnchance, gewinne ich auf die Dauer immer". Er war einfach besser und schneller als die Buchmacher.

Viel gewonnen, hoch verloren

Allmählich merkten die, dass sie bei Ante Sapina keinen Stich machen konnten. Sie ließen ihn nicht mehr auf amerikanische Sportarten und nicht einmal mehr auf Handball wetten. Sie setzten ihm lächerlich niedrige Limits, das war nichts mehr für Ante. So kam er zu Oddset. Die hatten zwar die miesesten Quoten, aber dafür konnte er so hoch wetten wie er wollte. "Also hab ich immer öfter bei Oddset gespielt", sagt Sapina. "Viel gewonnen, aber auch hoch verloren." Sehr hoch.

Im Frühjahr 2004 hatte Ante Sapina bei Oddset rund eine halbe Million Euro Verlust gemacht. Es passierten auch komische Sachen, fand Ante. Da war ein Spiel mit den Amateuren von Werder Bremen, auf das er sehr viel Geld gesetzt hatte, und er saß im Stadion, und musste mit ansehen, wie der Schiedsrichter zwei glasklare Elfmeter nicht gab. Und Oddset war auch noch der Sponsor.

Zu dieser Zeit fing Ante Sapina an, darüber nachzudenken, ob man beim Wetten wirklich alles dem Zufall überlassen muss.

© SZ vom 19.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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