Hoffenheim - Köln (17.30 Uhr):Hectors Evolution

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Ein Kölner jubelt im Nationaltrikot: Jonas Hector feiert sein erstes Tor für die DFB-Elf. (Foto: Michael Dalder/Reuters)

Der Verteidiger ist für Bundestrainer Löw "gesetzt" - und in Köln längst Leistungsträger. Wie lange kann der FC ihn halten?

Von Sebastian Fischer, Köln/München

Jonas Hector ist nicht unbedingt der Typ, den man sich in einer Gruppe beim Witzereißen vorstellen kann. Sondern eher der Typ, der rot anläuft, wenn er vor einer größeren Gruppe sprechen muss. Aber in dieser Woche war alles anders, jedenfalls für einen Moment. Der deutsche Nationalspieler stand im Bauch der Münchner Arena vor einer großen Gruppe von Journalisten, das 4:1 gegen Italien war ja auch sein Spiel gewesen, denn er hatte sein erstes Länderspieltor erzielt. Hector erzählte, wer ihm alles schon Glückwunsch-SMS geschrieben habe. Und dann erzählte der Verteidiger vom 1. FC Köln einen Witz: Ja, auch Hennes VIII, der Geißbock, habe ihm schon gratuliert.

Hector, 25, ist so bodenständig und zurückhaltend, dass es schon auffällt, wenn er sich zu einem halbwegs lustigen Spruch verleiten lässt. Und deshalb war es für seine Verhältnisse schon eine kleine Sensation, was er vor dem Spiel gegen Italien in einem Interview gesagt hatte: Wenn Jürgen Klopp, der Trainer des FC Liverpool, anrufen würde - "dann würde ich anfangen, mir Gedanken zu machen". Es war kein Witz.

In Köln spielt Hector immer öfter in der Mitte - und gibt den Rhythmus vor

Jonas Hector, der mit 20 noch in der Oberliga spielte und mit dem Profifußball schon abgeschlossen hatte, um dann beim 1.FC Köln nach starken Leistungen in der Regionalligamannschaft groß rauszukommen, das war ja bereits eine besondere Geschichte. "Ich hatte einfach Glück, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war", hat er 2013 als aufstrebender Zweitligaprofi zu seinem schon damals steilen Aufstieg gesagt. Doch gerade wird die Geschichte fast schon filmreif.

Beim FC ist Hector längst einer der wichtigsten Spieler im Team und mit ein Grund, warum die Kölner sich zwar nach 27 Spieltagen noch lange nicht sicher sein können, in der Liga zu bleiben - aber zumindest die besten Aussichten aller Teams haben, die noch gegen den Abstieg kämpfen. Hectors Spiel beim FC hat in diesem Jahr eine Art Evolution durchlebt. War er in der vergangenen, seiner ersten Bundesligasaison noch vor allem der laufstarke Linksverteidiger, schiebt Trainer Peter Stöger Hector inzwischen auf dem Spielfeld hin und her wie eine Schachfigur, stellt ihn immer öfter auch ins Zentrum. Seine Leistungen auf der Sechserposition waren in den vergangenen Wochen zwar wechselhaft. Doch ein ums andere Mal deutete er an, dass er nicht nur ein zäher und taktisch disziplinierter Dauerläufer mit Tordrang ist, sondern dem Spiel auch einen Rhythmus vorgeben kann. Seinen Rhythmus.

Joachim Löw hat Hectors Entwicklung wohlwollend registriert. Der Bundestrainer sprach seinem Linksverteidiger neulich gar eine Stammplatzgarantie aus. Er sei "gesetzt", sagte Löw über Hector und lobte: "Ich bin mit seiner Entwicklung wahnsinnig zufrieden. Er lernt wahnsinnig schnell, ist physisch stark und entwickelt sich ständig." Und dann, gegen Italien, stand er nach 59 soliden Minuten plötzlich frei im gegnerischen Strafraum. Nach filigraner Vorarbeit von Julian Draxler schoss er den Ball mit links am großen Gianluigi Buffon vorbei - und strahlte. Wenn die Gerüchte stimmen und Liverpool an ihm interessiert ist, dann ist das Interesse in dieser 59. Minute von München sicher noch mal gewachsen.

Beim FC glauben sie den Gerüchten nicht - sind aber vorbereitet

Als Hector am Donnerstag nach der Länderspielpause ans Geißbockheim zurückkehrte und natürlich auch etwas über Liverpool sagen musste, titelte der Kölner-Stadt Anzeiger, als wäre der Fußballer ein Politiker mitten in einer Plagiatsaffäre: "Jonas Hector bezieht Stellung". Natürlich fürchten sie in Köln Hectors Abgang - andererseits wissen sie im Klub, dass sie seine Entwicklung nicht aufhalten können. "Es gibt schlimmere Probleme für einen Klub, als dass man sich damit auseinandersetzen muss, ob Spieler zu anderen Klubs wechseln können, weil sie irrsinnig gut drauf sind", sagte Stöger.

Manager Jörg Schmadtke vermittelt in Gesprächen stets den Eindruck, als seien die Gerüchte um den wertvollsten Kölner Spieler tatsächlich nicht mehr als Spekulationen. Hector hat keine Ausstiegsklausel, und sein Berater ist keiner, der ihn möglichst schnell an den meistbietenden englischen Klub verschachern möchte. Andererseits sind sie beim FC auch deshalb so froh, im Winter den serbischen Linksverteidigers Filip Mladenovic bekommen zu haben, weil er den Klub für den Notfall vorbereitet, falls Hector tatsächlich im Sommer geht. Und es gehört auch zum neuen Geschäftsmodell des Vereins, Spieler auszubilden und in der Blüte ihres Schaffens zu verkaufen.

Jonas Hector hat übrigens inmitten der Gruppe am Geißbockheim wieder viel gelacht, aber diesmal keinen Witz erzählt. Er sei "froh, hier zu sein", sagte Hector. Und stellte zum angeblichen Angebot aus Liverpool klar: "Es gibt nichts Konkretes. Ich habe einen Vertrag bis 2018 und mit dem FC noch einiges vor."

© SZ vom 03.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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