Hoffenheim - Frankfurt (17.30 Uhr):Zaubern bis Berlin

Lesezeit: 2 min

Auch wenn die Gedanken beim DFB-Pokalfinale sind, will Eintracht-Trainer Niko Kovac (hier nach dem gewonnenen Halbfinale am Dienstag) in der Liga gute Spiele machen. (Foto: Ina Fassbender/dpa)

In Frankfurt denken alle nur noch an das DFB-Pokalfinale. Doch Trainer Niko Kovac warnt, dass die vier Ligaspiele davor nicht unwichtig sind - und muss bei seiner Aufstellung improvisieren wie nie zuvor.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Die Mitarbeiter der Eintracht Frankfurt Fußball AG wundern sich in diesen Tagen, wer auf einmal alles wieder an sie denkt. Carsten Knoop, bereits Pressesprecher zu Zeiten von Trainern wie Willi Reimann oder Friedhelm Funkel, erzählt von einem Jugendtrainer, der sich nach einem Vierteljahrhundert wieder bei ihm gemeldet habe: Er fragte Knoop nach Tickets fürs DFB-Pokalfinale.

Auf einmal wollen sie alle wieder der Eintracht folgen. Menschen, die in den vergangenen Jahren nichts mit Frankfurt zu tun haben wollten, möchten nun bei einem Ereignis dabei sein, das ein Mittelklasseverein eben nicht so oft erlebt. Für Frankfurt-Fans ist die Berlin-Reise ein Event, das so schnell vermutlich nicht wiederkommt. Und das die Stadt gerade elektrisiert.

Zuletzt 2006 trat der hessische Bundesligist im Pokal-Endspiel (0:1 gegen den FC Bayern) auf, natürlich ist das etwas Besonderes. Selbst für Niko Kovac. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich denke nicht an Berlin", sagt der Eintracht-Trainer. "Die ganze Stadt fiebert auf das Finale hin", sagt der verletzte Alexander Meier.

Um die Verletzten aufzusagen, braucht Kovac einen ganzen DIN-A4-Zettel

Aus Frankfurt kündigen sich mindestens 40.000 Unterstützer an; ganz gleich, ob sie eine der 20.000 zur Verfügung stehenden Karten bekommen, die unter Dauerkarteninhabern, Vereins- und Fanclubmitglieder vergeben werden. Noch schwieriger ist es übrigens, an eine Unterkunft zu kommen, weil am letzten Mai-Wochenende gleichzeitig der Kirchentag in Berlin stattfindet.

Nach dem gewonnenen Halbfinale in Mönchengladbach unter der Woche äußerte Kovac zuerst die Sorge, er werde mit dem größten Kontingent an Ticketwünschen überschwemmt. Mittlerweile haben sich aus dem Abnutzungskampf im Borussia-Park eher andere Befürchtungen bewahrheitet: Für das Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim (Sonntag 17.30 Uhr) ist die Liste an Ausfällen so lang, dass der Trainer am Freitag zur Pressekonferenz einen DIN-A4-Zettel mitbrachte, um ja keinen maladen Protagonisten bei seiner Aufzählung zu vergessen.

Neben den Langzeitverletzten Meier, Makoto Hasebe und Jesus Vallejo klagt neuerdings Andersson Ordonez über Knie- und Wadenprobleme, bei Omar Mascarell ist die Achillessehne inzwischen so schlimm entzündet, dass eine Kernspintomografie nötig wurde. Mijat Gacinovic hatte vor fünf Tagen mit einer leichten Zerrung durchgehalten, Marius Wolf sich die Schulter ausgekugelt, die am Freitag einen operativen Eingriff am lädierten Gelenk erforderlich machte. Saisonaus. Zudem leidet Branimir Hrgota, der den letzten Elfmeter verwandelte, an Magenproblemen. Auch er macht die Reise in den Kraichgau erst gar nicht mit.

"Es gibt kein gutes Endspiel, wenn die letzten vier Spiele nicht gut laufen"

"Wir müssen improvisieren, Fantasie zeigen und irgendwie zaubern", hat Kovac gesagt und erklärt, dass er nicht einmal den 18 Jahre alten Aymen Barkok für die abstiegsgefährdeten A-Junioren freistellen kann, weil er das Talent im verwaisten defensiven Mittelfeld aufstellen will. Diese Mannschaft hat im Pokal-Halbfinale einen hohen Preis gezahlt; sie kann jetzt gar nicht anders, als sich irgendwie durchzulavieren, um sich dann auf ein Fußballspiel zu konzentrieren, das erst in einem Monat stattfindet.

"Wir wollen in der Liga ordentliche Ergebnisse holen und den Schwung mit ins Endspiel nehmen", sagt Sportdirektor Bruno Hübner. Auf den Europapokalplätzen liege nicht der Fokus. Will heißen: Platz sieben, der zur Teilnahme an der Europa-League-Qualifikation berechtigen würde, ist für die Hessen unwahrscheinlicher als der Pokalsieg, mit der die direkte Teilnahme an der Europa-League-Gruppenphase sicher wäre.

Öffentlich widersprach Kovac am Freitag der Vermutung, die letzten vier Liga-Spiele austrudeln zu lassen. "Es gibt kein gutes Endspiel, wenn die letzten vier Spiele nicht gut laufen", sagte der Trainer, "wir wollen positive Erlebnisse mitnehmen." Doch vermutlich kommt das ausgedünnte Eintracht-Ensemble in Sinsheim nicht um die Erfahrung herum, dass der daheim seit 15 Spielen unbesiegte Tabellenvierte TSG Hoffenheim in vielerlei Hinsicht weiter entwickelt ist. Den rund 3000 Gästefans dürfte der Ausgang recht egal sein: Sie werden davon singen, bald nach Berlin zu fahren.

© SZ vom 30.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: