Hoffenheim:Der Feuerlöscher schäumt

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Im Zentrum der Gladbacher Herzlichkeiten: Fabian Johnson. (Foto: Daniel Roland/AFP)

Nach dem verschenkten Sieg gegen Mönchengladbach bleibt die Laune von Hoffenheims Trainer Huub Stevens schlecht.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Nachdem Fabian Johnson im Sommer 2014 aus Hoffenheim zu Borussia Mönchengladbach gewechselt war, vermutete der damalige TSG-Trainer Markus Gisdol nach einiger Zeit, der Flügelspieler könnte die Verlagerung seines Arbeitsplatzes schon ein "bisschen bereuen". Denn damals spielte Johnson unter Gladbachs Trainer Lucien Favre nicht regelmäßig - und Hoffenheim schien auf dem Weg in die Europapokalplätze zu sein. Ein Jahr ist das nun her. Und alles ist anders.

Favre ist nicht mehr Trainer in Gladbach und Gisdol nicht mehr Chefcoach in Hoffenheim. Ausgangslagen ändern sich manchmal schnell im Sport. Johnson? Spielt immer noch in Gladbach - ist inzwischen aber laut Manager Max Eberl auf dem Weg vom "Struktur- zum Führungsspieler". Mittlerweile schießt der 27-Jährige Tore in der Bundesliga ebenso wie in der Champions-League (am vergangenen Mittwoch gegen den FC Sevilla). Am Samstag vermieste Johnson nun seinem ehemaligem Klub so richtig den Tag. Durch sein Tor zum 3:3-Ausgleich kurz vor dem Abpfiff zementierte Johnson, der schon das frühe 1:0 (5.) erzielt hatte, den Verbleib der Hoffenheimer auf einem Abstiegsrang.

André Schubert verteilt Zettel und dementiert Zauberkräfte

Aus einem vermeintlich spannenden Projekt ist in Hoffenheim seit zwölf Monaten von Spieltag zu Spieltag mehr ein Abstiegskandidat geworden. Daran konnte auch der Trainerwechsel von Gisdol zu Huub Stevens bislang nichts ändern. Keines der vier Spiele gewann die TSG unter dem Feuerlöscher aus den Niederlanden. Und auch dieses 3:3 fühlte sich nach dem Spielverlauf wie eine weitere Niederlage an.

3:1 hatten die Gastgeber kurz nach der Pause durch ein Tor des großartig spielenden, 19 Jahre alten Antreibers Nadiem Amiri geführt. Doch sicher geglaubte Punkte am Ende noch zu verlieren, war schon unter Gisdol eine Hoffenheimer Spezialität. Ob dies an der abnehmenden Kraft der Spieler gegen Spielende liege und/oder eher ein psychologisches Problem sei - darüber ist in der Vergangenheit schon viel diskutiert worden. Aber: Jedes Tor hat seine eigene Geschichte, auch das 3:3 gegen Gladbach. An der Eckfahne in der gegnerischen Hälfte verlor der kurz zuvor eingewechselte TSG-Stürmer Adam Szalai den Ball relativ einfach. Danach trugen die Gladbacher einen perfekten Konter über den ganzen Platz vor, der selbst bei besserer Staffelung kaum zu verteidigen gewesen wäre. Stevens jedenfalls meckerte, er sei "enttäuscht" über das Ergebnis und des Zustandekommens des Ausgleichs.

Der Hoffenheimer Nothelfer ist am Sonntag 62 Jahre alt geworden. Seine neue Aufgabe ist gewaltig. Die Mannschaft insgesamt und viele Spieler leiden sichtlich an den enttäuschten Erwartungen. Statt Europapokal-Ambitionen zu bedienen, steht die TSG im Abstiegssumpf. Das tut weh.

Dennoch: Die ansprechende Leistung gegen Gladbach gibt Hoffnung auf Besserung. Spieler, die bislang kaum zum Zug kamen, überzeugten: die beiden Offensivspieler Tarik Elyounoussi und Steven Zuber, oder auch Innenverteidiger Fabian Schär. Dafür standen Zugänge wie Kevin Kuranyi oder Mark Uth gar nicht im Kader, die Nationalspieler Eduardo Vargas und Sebastian Rudy kamen nicht zum Einsatz.

Jeder habe die Chance, sich im Training anzubieten, sagt Stevens: "Ich stelle nicht nach Namen auf, sondern nach der Balance in der Mannschaft." Der knorrige Trainer vergriff sich später im Ton, als er einem Reporter, dessen Artikel ihm nicht gefallen hatte, herablassend beschied: "Du bist es eigentlich nicht wert." Auch diese kleine Episode zeigte: Die Stimmung ist nicht gut in Hoffenheim.

In Mönchengladbach ist sie weiterhin bestens. Seit der Trainer André Schubert heißt, ist die Borussia neun Spiele ungeschlagen (sieben Siege, 23 Punkte). Aber das sei nicht nur sein Verdienst, betonte Schubert. Und auch die Sache mit den Zetteln, die in Hoffenheim für Aufsehen sorgte, wollte der 44-Jährige relativieren. Beim Stand von 2:3 wechselte er den jungen Nico Elvedi (80.) für Rechtsverteidiger Julian Korb ein. Elvedi überbrachte Kapitän Granit Xhaka und Lars Stindl je einen Zettel mit neuen taktischen Anweisungen von Schubert. Eine Banalität eigentlich, die aber große Beachtung in den Medien fand. Schubert ist das unangenehm: "Das waren keine Harry Potter-Zettel", meinte er und lachte, er habe nur auf einigen Positionen umgestellt, da habe es sich angeboten, zentralen Spielern Anweisungen zukommen zu lassen. Dies aber gab sicher nicht den Ausschlag für das 3:3 von Johnson.

Ein Zauberer ist Schubert nicht. Gladbachs Präsidiumsmitglied Hans Meyer meinte am Sonntag, für die Mannschaft habe der Rücktritt des pedantischen Favre wie eine "Erlösung" gewirkt. Wie Schubert mit Rückschlägen umgeht, ist nun die offene, spannende Frage in Gladbach. Aber erst einmal freuen sie sich auf das Heimspiel gegen den FC Bayern. In Hoffenheim indes würde ein erster Sieg mit Stevens wie eine Erlösung wirken. Gelingt der nicht bald (in Ingolstadt oder gegen Hannover), steht die TSG vor einem tristen, ungemütlichen Jahreswechsel.

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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