Hockey:Perfekter Überfall

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Feierabend: Die deutschen Hockeyspieler verlassen nach dem 5:1 gegen die Briten das Feld, Benedikt Fürk, Linus Müller und der dreifache Torschütze Florian Fuchs (von links). (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Das deutschen Hockeyteam der Männer zeigt auf die Niederlage gegen Belgien die richtige Reaktion. Der Auftritt beim 5:1 gegen Großbritannien befördert die Auswahl wieder zu den Medaillenkandidaten.

Von Volker Kreisl, Tokio

Als Phil Roper den Ball von der Kelle seines Gegners Mats Grambusch geklaut hatte, mit der Kugel bis an den Kreis sprinten durfte, ohne aufgehalten zu werden, als der britische Stürmer noch überlegen konnte, wohin er zielen sollte, und den Ball dann rechts ins Tor der Deutschen knallte, derart, dass er aus dem Kasten besonders weit ins Feld zurücksprang - da wurde der Zweifel doch wieder größer: Ist dieses vorab gelobte deutsche Team denn tatsächlich ein Medaillenkandidat? Gar auf Gold?

Zwei Tage zuvor hatte die Mannschaft von Bundestrainer Kais al Saadi 1:3 gegen Belgien verloren, womit sie bereits leicht unter Druck stand. Und jetzt dieser Auftakt gegen die Briten, die als fit gelten, gut eingespielt und zusammenhaltend, eben auch Kandidaten für eine Medaille. Jedoch war dies nur eine vorübergehende Schwäche, irgendwann gegen Mitte des ersten Viertels musste auch der Teamspirit der Deutschen das mitgekriegt haben, er erhielt zunächst zwei, drei Anstöße, dann war er wach. Die Mannschaft um Kapitän Tobias Hauke rückte zusammen, schnürte den Gegner in den drei weiteren Vierteln ein, am Ende stand es 5:1.

Damit hat das Team seine Ausgangslage mitsamt Selbstbewusstsein wiederhergestellt. Mit sechs Punkten steht es zunächst an der Tabellenspitze. Wichtiger jedoch ist dieser Sieg für die eigene Stärke, denn die Auswahl hat nicht nur gewonnen, sondern einen Rückschlag weggesteckt und diesen Umstand nebenbei dazu genutzt, sich in einen Rausch zu spielen. Das Spiel hatte hohes Tempo, es wogte hin und her, wohl auch wegen des neuen Kunstrasens, und obwohl dieser voller Wasser war, was eher bremst. Die ganze Nacht, den Vormittag und bis ziemlich genau zum Schlusspfiff gegen zwei Uhr hatte es geregnet.

Fuchs gelingt ein Spielzug wie aus dem Lehrbuch

Dem technischen Niveau schadete es nicht. Das 1:0 der Briten hielt knapp ein Viertel lang, fast hätte es nach einer Strafecke 2:0 gestanden, doch der Ball wurde abgeblockt. Für Al Saadis Team war dies die kritischste Phase, sie dauerte aber nur kurz, nämlich bis zur vierten deutschen Strafecke, die dann endlich verwandelt wurde - und zwar so, dass man mehr daraus lesen konnte, als nur ein Tor. Kein Schuss ins Gewühl war dies, sondern ein wohl durchdachter Überfall, der auch als Lehrvideo dienen könnte. Auf die Quervorlage legte sich Martin Häner den Ball zurecht, worauf sich die Briten gemeinsam nach vorne warfen, während Florian Fuchs in die Gegenrichtung lief, wo er dann ganz alleine stand. Häner passte ihm, statt zu schießen, den Ball halbrechts aber scharf zu, Fuchs hielt die Kelle in die Flugbahn - Tor.

Dieser Treffer war kaum zu verhindern, vielleicht hatten sich die Deutschen gerade deswegen so außerordentlich gefreut. Eine präzise, gelungene Gemeinschaftsaktion lässt am besten den Ärger von vorgestern vergessen, das Niveau war neu definiert. Ein wenig musste sich Al Saadis Team noch finden, aber danach, in den letzten drei Vierteln, kamen die Briten kaum noch zu Chancen. Die Statistik wies am Ende 23 zu acht Torschüsse für das DHB-Team aus, getroffen hatte es dann noch viermal und das auf eine Art, die auf immer mehr Spielfreude hindeutete. Das 2:1 etwa fiel aus dem Spiel über links, ein Steilpass an die Grundlinie zu Christopher Rühr, der offenbar Lust auf Kunststücke bekam. In diesem Fall drehte er sich an der Linie, stand in einem unmöglichen Winkel zum Tor, so spitz wie ein Dorn, schlenzte den Ball aber ganz oben ins Netz.

Etwas weniger spektakulär ging es weiter. Der Gegner hatte keinen Zugriff mehr aufs Spiel, die Tore fielen, doch etwas anderes war Al Saadi schließlich wichtiger. Ihm hatte sich die Frage gestellt, "ob die Mannschaft nach dem 0:1 so weiterspielt oder ob sie wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt". Stattdessen spielten die Deutschen zur Freude des Trainers einfach immer weiter auf das Tor des Gegners, Fuchs traf sogar drei Mal, und sie erarbeiteten sich außer Toren auch noch etliche Chancen. Das, sagte Al Saadi vor den abschließenden Gruppenspielen gegen Südafrika (Do., 4.45 Uhr MESZ) und die Niederlande (Fr., 13.45 Uhr MESZ), sei die wichtigste Errungenschaft dieses verregneten Dienstmittagsspiels gewesen: "Wir wissen, dass wir uns von Widrigkeiten nichts anhaben lassen."

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