Hockey:Einsame Insel mit Bevölkerungsschwund

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Personalmangel: Zum Start der Bundesligasaison muss der Nürnberger HTC den Wegfall seiner halben Mannschaft kompensieren - und hält dennoch an seinen Zielen fest.

Von Katrin Freiburghaus

Norbert Wolff hat kurz vor dem Beginn der Hockey-Saison schon euphorischer geklungen. "Wir stehen im Prinzip von Vornherein mit dem Rücken zur Wand", sagt der Trainer der Erstliga-Männer vom Nürnberger HTC. Das ist keine sonderlich komfortable Ausgangslage, wenn man bedenkt, dass Wolff mit seiner Mannschaft ab diesem Wochenende eigentlich zu einem Außenseiter-Angriff auf die Spitzenklubs hatte ansetzen wollen.

Der NHTC liegt im Süden Deutschlands in jeder Hinsicht weit weg von den Branchenführern in Nord und West, kann aber seit Jahren relativ ungefährdet mit ihnen mithalten. In diesem Jahr hatte Wolff sich einen Sprung nach vorne erhofft, weil die Ansätze in der vergangenen Saison vielversprechend gewesen waren - und oft lediglich individuelle Fehler oder Nachlässigkeiten den Ausschlag gegeben hatten. Doch es fehlt nicht nur an sportlicher Leistung: Für eine Weiterentwicklung fehlt auch das entsprechende Personal. Wolff beklagt "einen unfassbaren Aderlass in Kombination mit Verletzungspech".

Der Nürnberger HTC hatte die Hoffnung, Justus Weigand und Benjamin Benzinger halten zu können. Es war eine verhaltene Hoffnung, aber dass die beiden dann tatsächlich nach Mannheim gewechselt sind, schmerzt Wolff dennoch. "Justus ist ein potentieller A-Kader-Spieler", sagt er über ihn. Weigand hatte in der vergangenen Saison 15 Tore erzielt, "dass den die ganze Liga jagt, war klar". Anders als viele andere Klubs in der Liga kann der NHTC die beiden Spieler nicht ohne Weiteres durch externe Zugänge ersetzen. Nürnberg ist auf der Erstliga-Landkarte eine Art einsame Insel. Zwar eine mit Ambiente, was Spieler wie der 32-jährige Olympiasieger Christopher Wesley belegen, der sein ganzes Hockey-Leben im Klub verbracht hat. Aber eben eine Insel - noch dazu eine mit Bevölkerungsschwund.

Das beste Beispiel für das gute Ambiente: Olympiasieger Christopher Wesley (Mitte) hat spielt bis heute für den Nürnberger HTC. (Foto: imago/Zink)

Es habe natürlich Versuche gegeben, Spieler nach Franken zu lotsen, sagt Wolff, "aber da hat man keine Chance". Für einen qualitativ gleichwertigen Ersatz müsse man "richtig Geld in die Hand nehmen, und dazu waren wir zumindest jetzt noch nicht bereit". Neben den Weggängen stehen auch Tim Stulle, Benjamin Seibold (beide Karriereende) und Götz Mahdi (Auslandsjahr) nicht zur Verfügung. Dazu kommen eine Kreuzbandverletzung bei Joshua Kastner und der Ausfall von Fritz Bernet (Schlüsselbeinbruch). "Das ist eine halbe Mannschaft, da wird es bei unserem Kader dünn", sagt Wolff. Es ist nicht so, dass nun die A-Junioren auflaufen müssten. "Wir wissen, dass wir 14, 15 wirklich gute Bundesligaspieler haben", sagt der Trainer. Aber verletzen dürfe sich jetzt eben niemand mehr.

Der Spielplan kommt den Nürnbergern am ersten Doppelwochenende immerhin entgegen, sie empfangen Aufsteiger Großflottbek und Harvestehude. Weil der neue Spielmodus nur noch eine einfache Hinrunde und eine halbierte Rückrunde in zwei Staffeln vorsieht, hat der NHTC gegen beide Hamburger Teams kein Auswärtsrückspiel. Nach der Hinrunde, in der jeder gegen jeden spielt, geht es in zwei Staffeln, die bereits feststehen und deren Zusammensetzung sich aus den Platzierungen der Vorsaison ableitet, um die Qualifikation für das Viertelfinale. Die ersten vier Teams jeder Staffel spielen über Kreuz um die Teilnahme an der Endrunde, die beiden Letzten jeder Staffel ermitteln die beiden Absteiger.

Trotz allem will Wolff den Klassenverbleib nicht als Saisonziel ausgeben. "Das wäre Quatsch, weil es bedeuten würde, dass wir uns ausschließlich auf die letzten beiden Spiele konzentrieren", sagt er. Wie das Ziel Platz vier trotz des geschrumpften Kaders gelingen soll? Wolff schlägt ein realistisches Selbstbild und etwas Trotz vor: "Wir versuchen es mit der Mentalität vom verschworenen Haufen." Diese Taktik ist in Nürnberg nicht neu. Aber eben seit Jahren erfolgreich.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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