Hockey:Berauscht am Schmerz

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Bronzejubel: Jana Teschke (Nr. 17) feiert den dritten Platz im olympischen Hockey-Turnier. (Foto: David Rogers/Getty Images)

Deutschland gewinnt das Spiel um Platz drei gegen Neuseeland. Die Frauen werden sich noch lang an die Partie erinnern - den Blessuren sei Dank.

Von Volker Kreisl, Rio de Janeiro

An der Hand hatte Janne Müller-Wieland eine wundervolle Prellung. Zusätzlich geschmückt worden war die schon während des Spiels: mit einem Verband. Fast jede Mitspielerin wies nach dieser Partie um Bronze Spuren des Kampfes auf. Reizende blaue Flecken hier, herrliche Kratzer dort. Und Müller-Wieland hatte sogar gleich zwei Verletzungen. An der Stirn, wo im zweiten Viertel mal ein Schlenzer gelandet war, zierte sie noch eine stattliche, leicht geschwollene Wunde. Die dürfte zum Glück noch etwas länger weh tun.

Die Eindrücke an ein Hockey-Spiel wie das gegen Neuseeland, sagte Abwehrchefin Müller-Wieland später, wolle man sich so lange wie möglich bewahren, und wenn man mit so viel Herz und Willen zur Sache gegangen ist wie die deutschen und neuseeländischen Hockeyspielerinnen, dann werden die Wunden zu Souvenirs, jedenfalls beim Sieger. "Das ist das Schöne", sagte Müller-Wieland und schaute auf ihr Handgelenk, "der Schmerz erinnert einen noch eine Weile an den Sieg."

Es war das zweite herausragende Spiel nacheinander, das die Mannschaft von Trainer Jamilon Mülders als eine Art Reifeprüfung nehmen kann, offizielles Gesamt-Zeugnis danach: dritter Platz bei den Olympischen Spielen in Rio, Belohnung: einige Blessuren und eine untertassengroße, schwere Bronzemedaille für jeden. 2:1 bezwang das Team diesmal den Gegner. Anders als zuvor im noch schwierigeren Spiel um den Finaleinzug gegen die Niederländerinnen musste die Mannschaft diesmal aber nicht ins Penaltyschießen gehen. Aber vielleicht hatte ja die knappe Niederlage im Halbfinale, die Tatsache, dass man den hoch überlegenen Favoriten an den Rand einer Niederlage gebracht hatte, zusätzliche Kräfte mobilisiert.

Präzise, kraftraubende Defensivarbeit

Die Kunst, die die Deutschen auch gegen Neuseeland zeigten, bestand in erster Linie aus konzentrierter, präziser, kraftraubender Defensivarbeit. Die Mannschaft befolgte konsequent die Idee, bei Gegners Ballbesitz die Räume zu verengen, auch wenn der Plan durchaus schon früher Konter vorgesehen hatte. "Jeder hat hier für jeden gekämpft", sagte Müller-Wieland, und zwar um jeden Ball. Automatisch rutschte das Team so in die Verteidiger-Rolle, und das Umschalten von Verhindern auf Gestalten funktionierte zwei Viertel lang nicht.

Aber das störte Trainer Mülders später auch gar nicht, er war voll des Lobes für sein Team. Und er sieht es auf dem Weg in Richtung der deutschen Hockey-Männer. Die wurden hier ebenfalls Olympia-Dritter, sie sind seit langem konstant unter den Weltbesten. "Es ist das eingetreten, was uns niemand zugetraut hat: Die Mädels haben hier heute Geschichte geschrieben. Wir kommen von Platz sieben 2012 in London und Platz acht bei der WM 2014 und beenden hier das olympische Turnier mit Bronze", resümierte er, "und das mehr als verdient!"

Mülders hatte schon vorher wohl das Vertrauen darin, dass irgendwann das kommen würde, was kurz nach der Halbzeitpause geschah: Neuseeland befand sich wie immer im Ballbesitz und im Spielaufbau, als plötzlich Hannah Krüger dazwischen ging, Ball und Tempo aufnahm, nach links zu Marie Mävers passte, die in den Kreis zog, quer zu Charlotte Stapenhorst legte. Und dann lag der Ball plötzlich im Netz und die üblichen psychologischen Wirkungen im Hockey setzten ein. Die Mannschaften waren wie verwandelt, Deutschland stürmte, Neuseeland zögerte, kurz darauf traf Lisa Schütze zum 2:0.

"Wir sind jetzt in der Weltspitze"

Spannend wurde es dann trotzdem noch einmal, durch eine Strafecke wegen Fußeinsatzes vor dem Kreis, was bei gehäuften Fouls wie in diesem Spiel ausnahmsweise möglich ist. Es war die letzte Minute des dritten Viertels, der Ball ging ins Tor, ein Einspruch der Deutschen wurde mit rätselhafter und neuartiger Begründung abgelehnt. Die Spielerin, die sich von hinten zu früh in den Kreis hinein bewegt habe, sei nicht am Tor beteiligt gewesen. Das ist gewagt, denn alle Spielerinnen, die sich bei der Strafecke nach vorne stürzen, sind ja direkt oder indirekt am Geschehen beteiligt.

Jedenfalls wurde es wieder spannend, ein Viertel lang mussten die Deutschen noch auf höchstem Niveau verteidigen, aber auch das war nach diesen zwei Wochen Hockey-Vorführung zu etwas gut. "Wir sind jetzt in der Weltspitze", sagte Mülders stolz. Seine Mannschaft hatte nach anfänglichen Zweifeln zu einer wirkungsvollen und willensstarken Einheit zusammengefunden und in diesem Schlussviertel nochmal ein stabiles Fundament gezeigt, auf dem sich künftig auch spielerische Überlegenheit aufbauen lässt. Und wer noch kein schmerzhaftes Andenken an dieses Spiel hatte, der bekam es spätestens in den letzten 15 Minuten.

© SZ vom 21.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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